Die Templerverschwoerung
Hals einen schwachen Puls und stellte fest, dass er flach atmete. Es war durchaus möglich, dass er von dem Schlag ins Koma gefallen war. Dann waren sie beide dem Tod geweiht, denn sie würde ihn nicht allein an diesem Ort sterben lassen. Selbst wenn sie fortginge, um Hilfe zu holen, würde sie nicht rechtzeitig zurück sein. Wenn sie überhaupt Hilfe fand, was sie bezweifelte. Es sei denn, sie waren am Rand der Wüste.
Sie setzte sich neben Conor in den Sand, bettete seinen Kopf in ihren Schoß und wiegte sich sacht hin und her. Da saß sie nun und schaute auf die überall gleiche, in der Dämmerung verschwindende Landschaft. Über ihr verdunkelte sich bereits der Himmel, die Sonne sank hinter den westlichen Horizont, der sich erst rosa, dann bernsteingelb färbte, schließlich in Korallenrot und ein dunkles Blau überging. Conors Kopf lag schwer in ihrem Schoß, aber sie rührte sich nicht. Mit ihren Fingern strich sie ihm leicht übers Gesicht und unterdrückte ein Stöhnen. Sie wusste, dass sie nicht verzweifeln durfte, auch wenn es tausend Gründe dafür gab. Jetzt begriff sie, warum man sie hier ausgesetzt hatte. In einer Tasche ihres Kleides fand sie ihren Pass. Den trug sie sonst nicht dort; ihre Entführer mussten ihn hineingesteckt haben. Sie ging davon aus, dass auch Conor seinen in der Tasche hatte. Die Sache war ganz einfach: Eines Tages, nach Monaten oder Jahren würden Reisende ihre Überreste hier finden und die Polizei sie anhand der Pässe identifizieren. Alle Spuren von dem Schlag auf Conors Kopf oder dem Betäubungsgetränk, das sie ihr verabreicht hatten, wären dann längst dahin. Wie töricht, würde die Polizei sagen, ohne Essen, Trinken und ein Transportmittel in diese Wüste zu gehen. Der britischeKonsul würde ihr beipflichten und ebenso die äthiopische Innenbehörde.
Auf einmal hatte es die Sonne sehr eilig, verschwand und nahm die Hitze mit. Mariyam saß unter einem roten pulsierenden Himmel, der fünf Minuten später schwarz war. Nun strahlten nur noch die Sterne, heller und vollkommener als sonstwo auf der Welt. Zumindest schien es ihr so.
Conor war alles, was sie hatte. Die Nacht bot ihr Sterne, aber die konnte sie weder essen noch trinken. Er bot ihr Schweigen und die vage Hoffnung, er könnte wieder zu sich kommen. Aber auf das Erwachen würde der Tod folgen. Ohne Wasser und Proviant konnten sie hier nicht überleben. Bereits am nächsten Mittag würde die Wüste wie ein Amboss sein, auf den die Sonne mit Millionen Strahlen einhämmerte. Sie wusste nicht, ob das schon ihr Ende bedeutete. Wenn er dann immer noch nicht zu sich gekommen war, würde er sterben. Sie konnte ihm helfen, schneller den Tod zu finden und den Alpträumen zu entgehen, die ihn vielleicht in seinem Koma quälten.
Mit der Zeit stellte sie fest, dass die Sterne sich bewegten. Sie besaß keinerlei Fertigkeiten zum Leben in der freien Natur und konnte ohne Uhr keine Minute von einer Stunde unterscheiden. Die Schönheit des Firmaments beeindruckte sie, aber sie vermochte aus den Sternen keinen irdischen Nutzen zu ziehen. Sie fragte sich, wo wohl Hoags Objekt war, dieser nahezu perfekte Kreis von acht Milliarden Sternen, eine ganze Galaxie, die sich seit ewigen Zeiten in der Weite des Raumes drehte. Sie dachte darüber nach, wie winzig diese Erde war und wie sehr sie Conor liebte. Manchmal bewegte er den Kopf, dann schob er ein Bein ein wenig nach links oder nach rechts.
Sie konnte nicht schlafen. Offenbar hatte sie die ganze vergangeneNacht und den folgenden Tag im Schlaf verbracht. Je weiter die Zeit voranschritt, desto wacher wurde sie. Als gerade ein Planet aufstieg und ein anderer sank, spürte sie, dass Conor sich bewegte. Seine Arme zuckten heftig, und sie glaubte, er bekomme Krämpfe. Instinktiv hielt sie ihn fest und versuchte die Schauer zu unterdrücken, die immer wieder durch seinen Körper liefen. So etwas hatte sie noch nie erlebt, es machte ihr Angst, denn sie glaubte, es könnte sein Todeskampf sein. Immer wieder sprach sie seinen Namen, um ihn mit ihrer sanften Stimme zu beruhigen. Sie sprach ihm Trost zu, als sei er ein kleiner Junge oder ein Baby, hilflos seinen Leiden ausgeliefert. Als sie mit der Hand über sein Gesicht fuhr, spürte sie, dass Speichel aus seinem Munde troff. Die Milliarden Sterne sahen zu und taten nichts.
Dann lag er wieder ruhig. Das ängstigte sie noch mehr als die Zuckungen. Sie legte einen Finger an seinen Hals und spürte erneut den langsamen, unregelmäßigen
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