Die Templerverschwoerung
Pulsschlag. Immerhin war er noch da. Eine Weile bewegte Conor sich nicht. Mariyam bemerkte, dass es jetzt rasch kälter und kälter wurde. Wüsten speichern keine Wärme, auch nicht nach einem glühend heißen Tag. Conor begann vor Kälte zu zittern, und sie mit ihm. Sie legte ihn nieder und stand auf. Er brauchte Wärme dringender als sie. Sie zog den langen Rock und die Jacke aus und deckte ihn damit zu. Dann setzte sie sich wieder, nahm seinen Kopf in den Schoß und bemühte sich, nicht zu zittern. Sie dachte an ein Feuer und fragte sich, ob in der Nähe trockene Zweige herumlagen, die man anzünden konnte. Da fiel ihr ein, dass sie nichts bei sich hatte, um eine Flamme zu entfachen. In dieser Gegend würde sie nichts finden als Sand und Geröll, und sie fürchtete, sie könnte sich in der Dunkelheit verirren und müsste einsam sterben. Sie nahm Conors Hand und hielt sie fest. SeineHaut fühlte sich kalt an, die Finger waren wie Eis. War er schon tot? Wieder tastete sie nach seiner Halsschlagader, aber der Puls war noch da und schien ihr jetzt sogar stärker als zuvor.
Dann ließ er ein Stöhnen hören, schwach nur, aber sofort war sie hellwach. Sie ergriff seine Hand und legte sie zwischen ihre Brüste, wo es ein wenig wärmer war. Sie hätte sie sogar in ihren Schoß gelegt, aber auch nur daran zu denken, war ihr peinlich.
Plötzlich stieß er einen Schrei aus, und sie glaubte, das sei sein letzter. Doch ihm folgten Worte, die sie nicht verstehen konnte.
»Ruhig, ganz ruhig«, sagte sie. »Du bist okay. Ich bin Mariyam. Versuch, den Kopf nicht zu bewegen.«
Eine Weile war Stille, dann stöhnte er erneut, diesmal lauter als zuvor.
»O Gott«, sagte er, »mein verdammter Kopf. Jesus, diese Kopfschmerzen … Bitte eine Schmerztablette, irgendwas.«
Sie strich ihm sanft über den Kopf.
»Ich habe keine Schmerztablette«, sagte sie. Sicher tat sein Kopf furchtbar weh. Aber sie konnte absolut nichts tun.
Er stöhnte weiter und fluchte von Zeit zu Zeit. Sie versuchte ihn aufzurichten, aber ohne etwas, an das er sich anlehnen konnte, vermochte er sich nicht aufrecht zu halten. Ihrem Kopf ging es jetzt besser, und nur tief innen spürte sie einen dumpfen Schmerz.
Er beruhigte sich, und sie strich ihm sanft über den Kopf. Unvermittelt stieß er ihre Hand fort.
»Das tut weh«, sagte er dabei.
»Tut mir leid.«
»Zum Teufel, wo bin ich?«, fragte er.
»Später«, gab sie zurück. »Wenn es hell wird.«
»Ich sehe Sterne, und es ist saukalt. Sind wir noch in Addis Abeba?«
»Nein, wir sind weit weg von dort.«
»Warum ist es so kalt?« Ein Schauer packte ihn.
»Ich denke, … wir sind in einer Wüste.«
»In einer Wüste? Ich dachte …«
»Unser Land hat drei Wüsten. Sie sind nicht sehr groß, aber man kann darin verlorengehen. Sie haben uns hier abgesetzt, und ich weiß nicht, wie wir wieder herauskommen sollen.«
Sie erklärte ihm die Lage, so gut sie konnte. Er hörte ihr schweigend zu, schockiert von der Ungeheuerlichkeit, die sie ihm mitteilte. Er stellte ihr viele Fragen, und sie versuchte zu antworten, obwohl sie selbst so wenig wusste.
»Wir sollten zusammenkriechen, um uns gegenseitig zu wärmen«, sagte er und rollte sich gegen sie. »Sonst werden wir nicht schlafen können.«
Er legte seinen Arm um sie und zog ihn wieder zurück.
»Du bist ja fast nackt«, sagte er.
Sie erklärte ihm, dass sie ihn mit ihren Sachen hatte wärmen wollen. Er musste lachen, was sie für ein gutes Zeichen hielt. Er gab ihr die Kleider zurück, damit sie sie anziehen sollte.
Am Ende schliefen sie abwechselnd. Als er munter wurde, sah er, dass sie saß und über ihn wachte, ihre Gestalt überdeutlich vor dem sternenübersäten Himmel. Dann stieg eine dünne Mondsichel hinter dem Horizont auf und verbreitete ein schwaches Licht. Jetzt war ihre unmittelbare Umgebung zu erkennen. Sie schlief nun in seinen Armen und wähnte sich sicher, weil er sie hielt. Wie zuvor legte er eine Hand auf ihre Brust, als seien sie ein Liebespaar. Der Mond stieg höher.
Die Nacht verbrachten sie halb schlafend und halb wachend. Schließlich kehrte das Tageslicht zurück, kroch denöstlichen Horizont herauf, ließ Mond und Sterne verblassen. Staunend sah Conor, wie eine bleiche Landschaft aus dem Dunkel auftauchte, voller Schatten zuerst, dann mit jedem Strahl der Sonne deutlicher und klarer. Zum ersten Mal spürte er Hunger.
»Du siehst schrecklich aus«, sagte Mariyam.
»Das ist mir nicht neu.«
Mit lockeren Wortwechseln
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