Die Templerverschwoerung
ein kleines blaues Kreuz rechts oben auf der Stirn. Ali Akbar war sicher, dass ihnen das Unglück bringen werde. Er war ein abergläubischer Mann. Das galt auch für die anderen, aber die dachten an das Geld, das sie für die zwei bekommen konnten, selbst wenn sie nur ihre Leichen mitbrachten.
Abd al-Basit beugte sich zu dem Feuer hinunter, stocherte ein bisschen darin und legte ein paar Zweige von ihrem kostbaren Vorrat hinzu. Die Flammen flackerten auf und erhellten für einen Moment die Nacht. Er lauschte den Gesprächen der Männer und wollte zu ihnen gehören, ein Mann sein wie sie, eine Frau heiraten und Kinder von ihr bekommen, seine eigenen Kamele besitzen und mit ihnen durch die Wüste ziehen.
Er dachte an Bashira, blieb ein wenig bei dem Feuer sitzen und wärmte seine Hände. Die Hitze des Tages machte ihm zuweilen schwer zu schaffen. Häufig zogen sie bei Nacht weiter und fanden ihren Weg beim Mondlicht. Aber heute hing der Mond tief und war nur noch eine dünne Sichel. Er fragte sich, ob dort oben Menschen lebten und wie sie sein könnten. Ob sie wohl Kamele hatten? Salz musste es dort geben, denn die Oberfläche des Mondes hatte graue Flecken wie die Salzfelder, bei denen er so viel Zeit verbrachte.
Da hörte er ein Geräusch. Kam es von den Kamelen? Nein, wohl nicht. Als es sich wiederholte, bemerkte er, dass es von der Frau auf der gegenüberliegenden Seite des Feuers herrührte. Sie sprach jetzt, aus ihrem Mund fielen Wörter, die er nicht verstand. Er trat an sie heran und beugte sich nieder. Sie hatte die Augen geöffnet und bewegte die Lippen. Sie stöhnte, dann wieder murmelte sie einzelne Wörter. Der Mann blieb stumm. Er stöhnte nicht einmal.
Abd al-Basit holte seinen Vater herbei, der weiser war als er. Auch der alte Mann beugte sich zu der Frau hinunter, hinter ihm reckten die anderen die Hälse.
Er hielt sein Ohr dicht an ihren Mund und lauschte ihrem Flüstern.
»Bring Wasser«, sagte er dann. »Wir müssen ihr die Kehle befeuchten.«
Der Sohn brachte Wasser in einem winzigen Töpfchen. Ali Akbar hob den Kopf der Frau und ließ die Flüssigkeit vorsichtig in ihren Mund tropfen. Das Wasser war nicht eiskalt, aber auch nicht warm. Sie prustete, doch das Nass weckte ihre Lebensgeister.
»Wo bin ich? Seid ihr Geister? Das kann nicht das Himmelreich sein … Ich fühle mich scheiße. Bitte noch etwas Wasser …«
Ali Akbar richtete sich auf.
»Sie spricht Amharisch«, sagte er.
»Kannst du sie verstehen?«, fragte sein Sohn.
»Nicht sehr gut. Ich kenne nicht viele Wörter. Aber sie hat etwas vom Himmelreich gesagt. Einmal war ein Priester in unserem Dorf, um uns zu bekehren. Diese Wörter hat er gebraucht. Du kannst dich nicht mehr erinnern, das war vor deiner Zeit, als deine Mutter noch am Leben war. Und sie hat das amharische Wort für Wasser benutzt. Außerdem hat sie kaka gesagt, was bei denen Scheiße heißt. Eine Frau darf solche Wörter nicht benutzen, das gehört sich nicht. Aber sie ist keine Afar und keine Muslimin, da müssen wir nachsichtig sein.«
»Vielleicht hat die Hitze ihr den Verstand geraubt, Vater.«
»Da wäre sie nicht die Erste. Bleib bei ihr. Gib ihr noch etwas Wasser, wenn sie darum bittet, aber nicht zu viel. In Berahile finden wir Leute, die Amharisch sprechen. Die können mit ihr reden. Vielleicht können sie ihr in die Seele schauen.«
»Und der Mann? Er ist kein Äthiopier.«
»Der ist sehr schwach. Er wird wohl nicht überleben. Bleib du bei der Frau.«
Abd al-Basit harrte bis zum Morgengrauen bei ihr aus. Lange vorher hatte die Karawane begonnen, zum Aufbruch zu rüsten. Mariyam versuchte mit dem jungen Mann zu sprechen, aber ihre Worte flogen an seinen Ohren vorbei wie Vögel und verschwanden in den Lüften, während die Sonne aufging. Er gab ihr zu trinken.
Sie brachen auf. Die Glöckchen an den Kamelen läuteten. Sie schaukelten von einer Seite zur anderen und suchten ihre Last im Gleichgewicht zu halten. Mittag war vorüber. Die Sonne zog immer weiter nach Westen. Einmal machten sie Halt, um die Salzblöcke auf einem rothaarigen Kamelweibchen geradezurücken, das über einen Spalt im Boden gestolpert war. Während die Karawane hielt, rutschte die Frau von dem Tragesitz herunter, auf dem man sie beförderte. Abd al-Basit fing sie gerade noch auf, als ihr die Beine, die sie so lange nicht gebraucht hatte, den Dienst versagen wollten. Sie machte sich los und gewann selbst das Gleichgewicht zurück.
»Wo ist Conor?«, fragte sie. »Ich muss zu
Weitere Kostenlose Bücher