Die Templerverschwoerung
Richtung Sonnenuntergang blickte. Am Fuße der Wand lag ein kleines Dorf namens Menji, wo sie Halt machten. Die Sonne ging wie eine gelbe Blume in einem Ring von Feuer unter.
Der Morgen brachte stahlgraue Wolken, und als sie kurz nach Tagesanbruch aufbrachen, zog ein heftiges Gewitter vonden umliegenden Gipfeln heran wie ein Fluch. Sie gingen zu Fuß und führten die Esel am Zügel, begleitet von Donnergrollen, das wie göttliche Paukenschläge klang, und Blitzen, die den Himmel für immer zu spalten schienen.
Als das Kloster hinter ihnen lag, bogen sie in ein enges Tal ein, das steil nach oben in Richtung eines weiteren Gipfels führte, den Sheka den Serekwa nannte. Die Felswände des Tals beherbergten fünf Kirchen und ein Kloster. Die dunklen Gewitterwolken tauchten sie in nahezu nächtliche Finsternis, und jeder Blitz ließ die Felsen noch bizarrer erscheinen. Als sie nahe bei einer Kirche vorüberkamen, hörten sie Stimmen einen Choral singen. Mariyam erklärte Conor, sie befänden sich jetzt in einer der heiligsten Gegenden der Erde. Wie ein Termitenbau war das Bergmassiv von Tälern, Canyons und Schluchten mit Myriaden von Klöstern und Eremitenklausen durchzogen, deren Refektorien, Dormitorien, Kapellen und Grüfte man sämtlich in den Felsen gehauen hatte. Manche hingen weit oben an einer nackten Felswand, andere verbargen sich in Höhlen.
Nach Menji folgte kein weiteres Dorf mehr. Die Kirchen an diesem verborgenen Ort waren nicht für gewöhnliche Sterbliche bestimmt. Hierher hatten sich nur Mönche zurückgezogen, die es sich zur Aufgabe machten, gegen die Ödnis anzukämpfen, Wasser zwischen trockenen Felsen und Nahrung in den Tälern zu finden. Bei Sonnenuntergang schlugen die Reisenden ihr Lager in einer stillen Schlucht auf, aßen und tranken, was sie mit sich führten. Sheka nahm seine Mahlzeit etwas getrennt von ihnen ein, aber als sie ein Feuer anzündeten, kam er näher. Sie forderten ihn auf, dicht an die wärmenden Flammen heranzurücken. Schließlich überwand er seine Zurückhaltung und schloss sich ihnen an. Dabei lächelte er betreten, und seine Zähne warfen das Licht der Flammen zurück.
Asmerom hatte Mariyam den Weg ausführlich beschrieben. Er hatte Kirchen und Klöster, Flüsse und Berggipfel genannt. Zum Glück kannte Sheka die meisten davon und führte sie nun tief in die abgeschlossene Bergwelt hinein. Die Pfade, die sie jetzt wählten, wanden sich bergauf wie gigantische Schlangen. Schließlich kamen sie an einen Ort, wo ein gebeugter und zerzauster Olivenbaum stand. Der Boden um ihn herum war von abgefallenen Oliven bedeckt. Als sie sich zur Rast niederlassen wollten, wies Sheka auf den Pfad, der vor ihnen lag, und sie sahen, dass sie weiter auf Serpentinen nach oben zu steigen hatten. Die Esel fanden jetzt kaum noch Halt für ihre Hufe. Immer wieder mussten sie sie von einem Abgrund zurückzerren, wenn die Steine unter ihren Füßen nachgaben und in die Tiefe stürzten. Sheka sang aus voller Kehle, um ihnen die Furcht vor einem unvorsichtigen Schritt oder dem Ausgleiten auf einem nassen Felsen zu nehmen. Manchmal bedeckte er die Augen der Esel mit einem Tuch und redete sanft auf sie ein, um sie über Felsvorsprünge zu führen, die etwa so breit wie sie selbst waren.
So brachten sie die Klöster und Gipfel einen nach dem anderen hinter sich. Ihnen war, als hätten sie Äthiopien längst verlassen, wären an einem Ort, wo es außer Mönchen keinen Menschen gab. Und auch deren Anwesenheit konnte man an den hochgelegenen heiligen Orten nur noch ahnen. Raubvögel waren jetzt ihre einzigen Begleiter – Adler, Habichte und Lämmergeier, die mit ausgebreiteten Flügeln über den Abgründen schwebten.
So vergingen drei Tage und drei Nächte. Ihre Vorräte schwanden zusehends. Sie konnten sich nicht darauf verlassen, dass es in Washa Meskel genügend Proviant für ihren Rückweg gab.
Schließlich passierten sie das letzte Kloster auf ihrer Listenamens Gebriel Hibeti. Von nun an waren sie auf sich allein gestellt. Sie bewegten sich bereits seit mehr als einem Tag auf unerforschtem Gebiet. Niemand war je so weit vorgedrungen, und die letzten Klöster, die Mariyam nach Asmeroms Liste identifiziert hatte, waren Sheka gänzlich unbekannt. Auf der Liste gab es nur noch einen einzigen Hinweis: Sie mussten eine Schlucht finden, an deren Eingang ein Fingerkaktus stand. Mariyam hatte noch nie ein solches Gewächs gesehen, aber der Mönch hatte es einen Kinchib -Baum genannt, und Sheka sagte,
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