Die Templerverschwoerung
wieder ganz abgetrocknet war.
Schließlich erreichte er den oberen Rand der Felswand. Er bekam den Stumpf eines jungen Baumes zu fassen, an dem er sich hochziehen konnte. Mit letzter Kraft schwang er sich hinauf und landete flach auf dem Bauch. Vor ihm, in einiger Entfernung vom Abgrund, stand eine Gruppe von Häusern, hinter denen die Wand weiter bis in die Wolken zu ragen schien. Er blieb eine Weile liegen, rang nach Luft und wartete, dass der Schmerz in Armen und Beinen abklang. Als sein Atem wieder ruhiger ging, fiel ihm ein, seine Glieder würden steif sein und schmerzen, wenn er den Abstieg wagen musste. Er bewunderte die Mönche, wie sie sich bei häufigem Fasten und sicher sehr karger Nahrung die notwendige Körperkraft und Beweglichkeit für diesen Weg erhielten.
Das Plateau, auf dem er nun stand, konnte nur einige wenige Bauten aufnehmen. Zu seiner Linken erblickte er ein einfaches Grab aus weißem Stein, möglicherweise die letzte Ruhestätte des Klostergründers. Daneben standen drei Häuschen, die sich beim Hineinschauen als Lager für Baumaterialund Kultgegenstände wie Mönchsroben, Kreuze, goldene und silberne Gefäße erwiesen.
Auf der rechten Seite hatten Hände, deren Besitzer sicher seit langem tot waren, einen Eingang in den Felsen geschlagen. Conor nahm an, dass sich der größte Teil des Klosters dahinter befand. Wahrscheinlich war das der Zugang zu einer Höhle, von der Washa Meskel seinen Namen hatte – die Höhle des Kreuzes.
Steinstufen führten zu einer Holztür hinauf. An ihren beiden Flügeln waren Tafeln mit tief eingekerbten und vergoldeten Kreuzen angebracht. Die Farbe hatten Wind und Regen abgewaschen, denen dieser Ort sicher viele Tage im Jahr ausgesetzt war. Darunter sah man Abbildungen der Bundeslade. Die Cherubim darauf waren als volles Relief geschnitzt und vergoldet wie die Kreuze. Plötzlich wurde Conor die Kehle trocken, und ein ahnungsvoller Schauer durchfuhr seine Brust. Die Tür gab bereits beim ersten Druck nach, und er trat in einen scheinbar völlig lichtlosen Raum. Daher hielt er die Tür mit einer Hand offen, um so viel Licht wie möglich von draußen hereinzulassen. Als sich seine Augen ein wenig an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah er, dass er am Eingang zu einem riesigen Raum stand. Er bekam ein wenig Licht durch einen Spalt im Felsen, der knapp am Rande der Felswand ausgehauen war. Mehrere Geier liefen hin und her. Conor nahm an, sie seien durch den Spalt hereingelangt. Sein Nackenhaar sträubte sich, und wieder überlief ihn ein kalter Schauer.
Er hatte eine große LED-Lampe bei sich. Als er sie einschaltete, durchschnitt ein tagheller Strahl den Raum.
Beim Eintreten hoffte er Gesang oder Gebete zu hören. Aber es war ganz still. Zunächst glaubte er, es sei seine Lampe, die diese wandernden Schatten in den Raum warf, aber dann wurde ihm klar, dass das nicht sein konnte. An einerDecke, so hoch oben, dass man sie kaum erkennen konnte, an der die Schatten einander zu jagen schienen und immer wieder von Licht durchbrochen wurden, pulsierte ein Chiaroscurowie ein dunkles, schlagendes Herz. Von dort oben hingen zwei Ketten herab, an deren Ende, nur wenig über Körperhöhe, je eine riesige Lampe befestigt war. Die Lampen schwangen wie Pendel von einer Wand des großen Raumes zur anderen. Als er sie mit dem Strahl seiner Taschenlampe verfolgte, ergab das ein wundersames Spiel von Licht und Schatten.
Der Vorhang vor dem Allerheiligsten wurde von einem Luftzug aus einem in den Felsen geschlagenen Fenster in ständiger Bewegung gehalten. Fresken in kräftigen Farben erzählten Heiligengeschichten wie die Glasfenster in den Kirchen des Westens.
Nach und nach gewöhnte er sich an die verwirrenden Lichtverhältnisse und sah sich genauer um. Von den Wänden blickten ihn die Porträts heiliger Männer und tugendhafter Frauen in leuchtenden Farben an. An die Wand gegenüber hatte ein Künstler von beträchtlichem Können die Heilige Dreifaltigkeit gemalt. An einer anderen war von derselben Hand die Kreuzigung dargestellt. Soldaten schleppten Jesus fort, der in ein prächtiges, vielfarbiges Gewand gehüllt war. Auf dem nächsten Bild war er dieser Pracht entkleidet, und die Dornenkrone wurde ihm auf das Haupt gesetzt. In der Mitte stand ein riesiges Kreuz, an das man den Heiland geschlagen hatte. Zu den Seiten hingen die beiden Diebe an kleineren Kreuzen, und davor stand Maria, in Tränen aufgelöst.
Conor war überwältigt. Die schwingenden Lampen und das flirrende
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