Die Templerverschwoerung
er wisse, wie der aussehe.
Kurz nach Mittag kam ein hohes grünes Gewächs in Sicht, und Sheka meinte, dies sei ein Kinchib . Nur wenige Meter weiter öffnete sich in der Tat eine enge Schlucht, deren Seitenwände über vierzig Meter hoch waren, vielleicht auch mehr. Der Boden war so zerklüftet, dass die Esel keinen Schritt weitergingen. Sheka willigte ein, an diesem Ort zu bleiben und sich um die Esel zu kümmern. Conor und Mariyam betraten die Schlucht, in die kein Sonnenstrahl fiel.
35. KAPITEL
Schweigend gingen sie weiter. Zuweilen mussten sie einen Stein beiseite räumen, oder ein Stück Fels stürzte von oben herab. Die Geräusche lösten ein vielfaches Echo aus. Hinter ihnen schrie ein Esel, dann war es totenstill. Beide wussten, wenn diese Mission nicht gelang, dann gab es keine zweite Chance. Auch wenn sie Washa Meskel fanden, garantierte das keineswegs den Erfolg. Vielleicht war die Bundeslade gar nicht dort, ging es Conor durch den Sinn. Es konnte Dutzende Schluchten mit einem Kaktus am Eingang geben.
Die Klamm schien kein Ende zu nehmen – zweifellos ein perfektes Versteck für ein Kloster und mehr noch für die Bundeslade. Als sie eine halbe Stunde gegangen waren, beschlichen Conor Zweifel, ob sie auf dem richtigen Weg seien.
Dann war oben von der Felswand zu ihrer Rechten Flügelklatschen zu hören. Vögel. Große Vögel. Sie versammelten sich an jenem Ort, und immer mehr kamen hinzu.
»Sind das Geier?«, fragte Conor.
Mariyam nickte.
»Die sind aber groß«, fügte sie hinzu. »Sieh mal: Das dort ist ein Kappengeier und der andere weiter links ein Gänsegeier. Der da oben schwebt, muss ein Lämmergeier sein. Siehst du seine Flügel? Die können eine Spannweite von über drei Metern erreichen. Ich mag ihn gar nicht anschauen.«
Ein Stück weiter sahen sie, dass jemand ein Kreuz in die Felswand gehauen hatte.
»Das Kloster muss hier in der Nähe sein«, sagte Mariyam.
Sie blieben stehen und suchten einen Weg nach oben. Mariyam würde keinen Zutritt erhalten, aber sie hatte für Conor einen Brief auf Amharisch geschrieben, den er dem Abt überreichen sollte. Darin wurde erklärt, weshalb sie gekommen waren. Außerdem teilten sie dem Abt mit, dass Asmerom in Addis Abeba gestorben war. Weiter schrieb Mariyam, dass mehrere Menschen hatten sterben müssen, um die Informationen aus dem Matshafa geheim zu halten. Sie nannte die Namen und, wo das möglich war, das Alter der Opfer. Auf der letzten Seite erklärte sie, eine Organisation von Ketzern mache Jagd auf die Bundeslade, und sie befürchte, sie wollten sie für üble Zwecke missbrauchen. Sie fügte hinzu, der Mann, dem sie den Brief ausgehändigt habe, verstehe keine der Sprachen Äthiopiens. Ob sie deshalb die Erlaubnis erhalte, sich ihm anzuschließen?
Conor prüfte die Felswand. Es schien ihm unmöglich, hier hinaufzusteigen, aber Asmerom hatte geschworen, es gebe einen Weg ins Kloster, den er selbst mehrfach hinauf- und hinabgeklettert sei. Nun traten sie zusammen ganz dicht an die Wand heran. Dabei fiel Mariyam auf, dass unterhalb des Kreuzes mehrere Steine herausgefallen waren, als hätte ein menschlicher Fuß darauf getreten. Conor beschloss, dort mit dem Klettern zu beginnen, um zu sehen, ob er eine Besteigung der Wand wagen könne. Auf den ersten sechs, sieben Metern konnte er Haltemöglichkeiten für Hände und Füße ausmachen, weiter oben musste er auf sein Glück vertrauen.
Er begann zu klettern. Angstvoll sah Mariyam zu, wie er eine Hand ausstreckte, um sich an einem kleinen Vorsprung festzuklammern, sich hochzog, sich mit einem Fuß festkrallte und den nächsten nachzog, dann wieder mit der Hand weiter nach oben griff. So bewegte er sich über die Felswand wie ein gedrungenes Insekt, Arme und Beine weit auseinandergespreizt.Manchmal verstieg er sich, und es ging nicht weiter. Dann musste er wieder einen Schritt zurück und einen neuen Halt suchen. Vögel segelten gefährlich nahe vorbei, aber er hing an dem Felsen wie angeklebt. Mariyam fürchtete, ihm könnte unterwegs die Kraft ausgehen oder er könnte einen Schwächeanfall erleiden, seinen Griff lösen und rückwärts in die Tiefe stürzen.
Nun zog sich über ihm auch noch der Himmel zu. Ein Blitz schlug in die Felswand ein, und es begann zu regnen. Zur Umkehr war es jetzt zu spät. Der Weg nach oben war kürzer als der nach unten. Und der Fels wurde in beiden Richtungen schlüpfrig und glatt. Er hätte nach einem Abstieg auch nicht so lange unten warten können, bis er
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