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Die Teppichvölker: Roman (German Edition)

Die Teppichvölker: Roman (German Edition)

Titel: Die Teppichvölker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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streckte den Arm aus.
    Auf der gegenüberliegenden Seite der Lichtung stand ein Wildschwein im grünen Gebüsch und beobachtete sie aufmerksam. Als es gleich mehrere Blicke spürte, drehte es sich um und verschwand hastig im Haarwald.
    »Ein ganz normales Wildschwein«, brummte Bane.
    »Aber es war braun«, sagte Pismire. »Und es hätte grün sein sollen. Fast alle frei lebenden Geschöpfe im Teppich nehmen die Farbe der Haare an, zwischen denen sie geboren werden. Zur Tarnung.«
    »Vielleicht hat es sich in diese Region verirrt«, vermutete Bane.
    »Nein.« Glurk lächelte. »Es wurde hierhergebracht. Wir sind fast da. Eine Überraschung erwartet euch. Ihr werdet staunen.«
    Die Ponen änderten den Kurs und folgten dem Verlauf eines anderen Pfades. Sie bahnten sich einen Weg durch die Flusenvorhänge, und zahllose kleinere Geschöpfe ergriffen die Flucht vor den Kolossen. Sie repräsentierten alle Farben des Teppichs.
    Und dann traten die Ponen durch …
    Die Haare drängten sich am Rand einer großen Lichtung zusammen und reflektierten das matte Glühen eines Objekts in der Mitte des offenen Bereichs.
    Es handelte sich um einen unbehauenen Zuckerkristall. Er ragte so weit auf wie der Große Palast von Wagnis, war weißer als Bein und glitzerte kalt im grünen Halbdunkel. Das durch die vielen Staubfladen filternde Licht schien allein von jenem Würfel beansprucht zu werden, und in seinem Innern tanzte etwas Weißes. An einigen Stellen schimmerte der Kristall wie polierter Lack und zeigte Spiegelbilder der Geschöpfe in seiner Nähe.
    Pismire sah Staubhasen und Schlußfadenbohrer in allen Farben, Dutzende von Wildschweinen, Soraths mit langen Hälsen, dicke Bläser, Krustenknabberer, Ziegen mit spiralförmig gewundenen Hörnern, außerdem Tiere, die er nicht kannte: ein mit Schuppen ausgestattetes Etwas, aus dessen Rücken lange Stacheln wuchsen; ein langes Wesen, das nur aus Beinen zu bestehen schien. Ein seltsames Geräusch drang dem Schamanen an die Ohren: Es klang nach … tausend leckenden Zungen.
    Langzunge und die anderen Ponen legten einen Sprint ein – Glurk und seine Gefährten wurden fast aus dem Sattel geschleudert. Kleinere Geschöpfe wichen rasch beiseite.
    »Es ist … wundervoll«, flüsterte Brocando. Bane starrte mit offenem Mund, und selbst Pismire war beeindruckt.
    Sie kletterten von Langzunges Rücken und näherten sich langsam dem Kristall. Die Tiere leckten auch weiterhin am Zucker und schenkten ihnen kaum Beachtung.
    Glurk setzte sein Messer an, löste ein Stück aus der glatten Wand und steckte es sich in den Mund. »Nicht übel«, sagte er einige Sekunden später und warf Bane einen Splitter zu. Der General biß vorsichtig davon ab.
    »Zucker«, murmelte er. »Nur ein einziges Mal habe ich so etwas probiert. In der Nähe des Kaminlands gab es einen Kristall. Der Gebieter ließ sich kleine Teile davon servieren.«
    »Schmeckt wie Honig und doch anders«, meinte Brocando. »Woher kommt der … Zucker?«
    »Er kommt aus der gleichen Richtung wie Schotter, Salz und Asche – von oben«, antwortete Pismire. »Mehr wissen wir nicht.«
    Instinktiv blickten sie an den Haaren hinauf.
    Der Zwergenkönig beendete das Schweigen. »Nun, wenigstens bleiben uns Probleme in Hinsicht auf die nächste Mahlzeit erspart. Gebratener Bläser oder gebackener Bohrer – wir können frei wählen. Kein Wunder, daß hier alle Farben vertreten sind. Der Kristall lockt die Tiere von weither an.« Er seufzte leise. »Es scheint kaum fair zu sein, sie zu töten, während sie einen nicht ansehen.«
    »Steck das Messer weg« ertönte eine Stimme.
    Pismire verschluckte sich am Zucker.
    Eine Gestalt stand etwas abseits. Sie war recht groß, hatte das für Schlaue typische schmale Gesicht und wirkte geisterhaft im matten Schein des Kristalls. Langes weißes Haar umwogte den Kopf – man konnte kaum feststellen, wo es endete und wo das lange weiße Gewand begann. Eine junge Frau … Doch wenn sie sich bewegte, verschwand die Jugend manchmal, wich Greisenhaftigkeit oder mittlerem Alter. Die Zeit huschte Schatten gleich über ihre Züge.
    Die rechte Hand hielt das Halsband eines weißen Snargs, der drohend mit dem Schwanz wedelte.
    »Äh«, sagte Glurk, »das ist Culaina.«
    Die Schlaue wanderte an ihnen vorbei und klopfte Langzunge an die Flanke. Der lange Hals des Ponen geriet in Bewegung, und kleine Augen blickten auf Culaina hinab. Das riesige Wesen zögerte nur kurz, bevor es sich auf dem Boden ausstreckte und den Kopf

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