Die Terranauten 009 - Die Stunde des Riemenmanns
würde ihr niemand folgen können. Er versprach Geborgenheit, das Ende der Qual, die sie zu zerreißen drohte.
Doch sie war eine Graue, und deshalb schaltete sie den Communer ein, ehe sie die Konsequenzen zog.
»Mater Pernath spricht«, sagte sie in das silberne Armband. »Ich möchte eine Verbindung mit Lordoberst Valdec. Es ist dringend. Dringend!«
Die Sekunden vergingen, dehnten sich zu Minuten, aber die Mater wartete geduldig. Und sie lächelte.
Dann die vertraute, kühle, beherrschte Stimme. »Mater?« fragte Valdec. Er wirkte irritiert. »Wo haben Sie die ganze Zeit gesteckt? Ich habe vergeblich nach Ihnen rufen lassen. Ist etwas passiert? Wo sind Sie?«
»Es spielt keine Rolle mehr, wo ich bin«, flüsterte die Mater mit einem starren, blassen Lächeln. »Ich möchte mich von Ihnen verabschieden, Lordoberst Valdec. Für immer, verstehen Sie?«
»Nein, ich verstehe absolut nicht!« bellte Valdec. »Was soll das? Kommen Sie augenblicklich zurück zur Zentrale. Hier können wir uns weiterunterhalten. Das ist ein Befehl.«
»Nein«, erklärte die Mater fest. »Es gibt keine Befehle mehr. Diese Zeit ist vorbei.«
Valdec schwieg einen Moment. »Sie müssen krank sein, Pernath«, sagte er dann. »Ich werde …«
»Lordoberst«, unterbrach ihn die Graue ruhig, »ich möchte Ihnen mitteilen, daß ich die flüchtigen Treiber gefunden habe.«
»Was?« schrie es aus dem Mikrolautsprecher des Communers. »Wo sind sie jetzt? Brauchen Sie Hilfe, Mater?«
»Die Treiber erreichen vermutlich in diesem Augenblick Stojska-Stellar, Lordoberst. Ich habe ihnen zur Flucht verholfen. Endgültiges Ziel der Treiber ist der Energiesatellit ES-50. Sie haben vor, David terGorden zu befreien.« Die Mater Pernath räusperte sich. Nun hatte sie es gesagt, hatte sich davon befreit.
Valdec sagte nichts.
»Sie werden sie nicht aufhalten können«, fuhr die Graue schließlich fort. »Oder doch? Mir ist es gleichgültig. Ich … Verzeihen Sie, Lordoberst … Nein, das ist nicht nötig. Ich tat nur meine Pflicht. Nur meine Pflicht.«
Und zum erstenmal seit langen Jahren spürte sie Tränen in ihren Augen.
»Ich werde Sie dafür erschießen lassen, Mater«, klang Valdecs gepreßte, verzerrte Stimme aus dem Communer. »Ich werde …«
Die Mater schaltete aus.
Ihr Gesicht war bleich, aber ernst.
Sie griff auf den Rücksitz, klappte die gepolsterte Bank nach oben. In dem Hohlraum lag eine kleine schwarze Tasche. Mit geübten Bewegungen öffnete sie das Schloß und schob ihre Hand in die Tasche.
Der Griff des kleinen Lasers war kühl. Angenehm kühl.
Die Mater Pernath zog die zierliche, tödliche Waffe heraus, öffnete den Mund und umschloß den Lauf mit ihren Lippen. Er schmeckte leicht nach Metall.
Dann drückte sie den Feuerknopf.
*
Mit bebenden Gliedern und verzerrtem Gesicht stand Lordoberst Max von Valdec vor dem Funkgerät und kämpfte um seine Fassung.
Scheinbar als ob nichts geschehen wäre, summten in seinem Rücken die vielfältigen, gedämpften Geräusche der Zentrale, gleißte die Spirale der Milchstraßen-Holografie.
Er wußte, jedes Wort der Mater stimmte. Aber warum hatte sie das getan? Diese Terranauten waren wie die Träger einer ansteckenden Krankheit. Sie schienen jeden, der mit ihnen in Berührung kam, mit dem Bazillus des Ungehorsams und der Rebellion zu infizieren. Aber diesen Bazillus galt es auszurotten. Endlich löste sich Valdec von dem Schock, hämmerte mit der geballten Faust auf den Alarmknopf.
Wimmernde Sirenentöne erfüllten unvermittelt den dämmrigen Saal.
Der Konzilvorsitzende wirbelte herum, blickte in die verwirrten Gesichter der Sicherheitsmanags und Gardisten, die beim ersten Sirenengeheul aufgesprungen waren.
»Die entflohenen Treiber sind auf dem Weg nach Stojska-Stellar!« brüllte er außer sich vor Zorn. »Sie wollen einen Energiesatelliten angreifen. Großalarm für den Raumhafen und die Garden! Eine Flotte Ringos der Grauen soll sich zum Start bereithalten! Wir müssen die Treiber rechtzeitig unschädlich machen.« Er atmete tief durch. »Worauf warten Sie noch? Unternehmen Sie etwas!«
Die Männer und Frauen spritzten auseinander, um Valdecs Befehle auszuführen.
Langsam wandte sich der Lordoberst wieder dem Funkgerät zu. »Funkkontrolle?« sagte er laut.
»Lordoberst?«
»Sie haben das Gespräch aufgezeichnet?«
»Ja, Lordoberst«, drang die Stimme des Grauen aus dem Lautsprecher. Er schien heiser zu sein. Vielleicht hatte er auch mitgehört und begriffen, was
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