Die Terranauten 010 - Revolte auf Luna
schienen telepathisch immunisiert zu sein – wie Cloud, wie Morgenstern.
»Es hat keinen Zweck, Treiber«, sagte Scanner Cloud milde. »Die meisten von uns sind ehemalige Angehörige hoher Kasten des Konzils. Manags, Servis. Arbiter, Summacums. Sie wissen doch, daß generell jeder mögliche Geheimnisträger vom Konzil immunisiert wird.«
Der Riemenmann verspürte ein seltsames Gefühl der Unterlegenheit, als er den Kopf in den Nacken legen mußte, um dem großen Mann ins Gesicht blicken zu können. Cloud überragte ihn um mehr als Haupteslänge.
»Warum hat man sie verurteilt?« erkundigte er sich. »Es gibt ein altes irdisches Sprichwort von den Krähen, die einander kein Auge aushacken …«
»Die Alten«, lächelte Cloud, »waren ziemlich phantasielos. Sie übersahen, daß es Krähen gibt, die sich streiten, besonders wenn es um das Futter geht. Die meisten der Menschen hier, Llewellyn, sind des Aufruhrs, der Rebellion, des versuchten Umsturzes oder des Verrates beschuldigt worden. Oder, um es weniger juristisch auszudrücken: Ihnen mißfiel, wie das Konzil seine Bürger behandelte.«
Cloud legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er schien keine Scheu vor dem Geflecht der goldenen Riemen zu verspüren. »Aber kommen Sie, Treiber. Die Garden laden zum Festmahl ein. Wir sollten es nicht versäumen.«
Schweigend näherte sich Llewellyn dem Servomat.
Das Glühen in den Ausgabeöffnungen verstärkte sich. Irgend etwas im Innern der Halbkugel klapperte. Dann wurden in den kastenförmigen Löchern kleine Plastikbehälter sichtbar.
Cloud preßte seine Hand gegen die transparente Klappe vor einer der Ausgabeöffnungen, und kurz danach glitt die Klappe in die Höhe und gab die Mahlzeit frei.
Llewellyn wiederholte die Bewegungen des Psyters. Neugierig öffnete er den Behälter. In ihm befand sich ein warmer, rötlicher Brei. In einem gesonderten Fach lagen zwei Proteinriegel.
»Schade, daß ich jetzt nicht Ihr Gesicht sehen kann«, bemerkte Cloud. »Die Mahlzeit sieht für unbefangene Betrachter ein wenig seltsam aus, aber sie ist nahrhaft und einigermaßen wohlschmeckend. Natürlich wird man nicht satt, aber sie verschafft einem das Gefühl, etwas im Magen zu haben.«
»Das tröstet«, versetzte David alias Tout. »Ich hatte erwartet, wir müßten uns hier von Steinen ernähren.«
»Wie immer wird die Fantasie von der Wirklichkeit übertroffen«, nickte Cloud ungerührt. Er kniff die Augen zusammen. »Seit unserer letzten Begegnung haben Sie sich eine böse Verbrennung zugezogen, Ishmail Tout … Man kann Sie ja kaum noch erkennen.«
David sah zu dem Riemenmann und erwiderte vorsichtig: »Es war notwendig, Sie verstehen?«
»Durchaus.« Der Psyter gab nicht zu erkennen, was in ihm vorging. »Ich vertraue Ihnen, denn der Riemenmann scheint für Sie zu bürgen.«
»Halten Sie das für so wichtig?« versuchte Llewellyn, das Thema zu wechseln.
Cloud schüttelte den Kopf. »Nein«, gestand er. »Zumindest jetzt noch nicht. Allerdings werde ich später noch einmal darauf zurückkommen.«
Nach und nach empfingen die Häftlinge ihre Rationen. Llewellyn fragte sich, was der Psyter mit seiner letzten Bemerkung andeuten wollte. Hatte er David terGorden erkannt?
Cloud und die beiden Treiber schoben sich an den Menschentrauben vorbei und ließen sich unweit des Ausgangs auf dem Boden nieder.
Der Riemenmann sah sich nach Angila und Sirdina um, aber plötzlich schoben sich Dutzende Häftlinge in sein Blickfeld, umgaben sie von allen Seiten. Viele blieben stehen und verzehrten langsam und konzentriert ihre karge Mahlzeit. Wie auf ein geheimes Signal brandeten überall lärmende Gespräche auf.
Cloud beugte sich nach vorn. Sein Gesicht wirkte angespannt.
»Hören Sie jetzt gut zu«, flüsterte er drängend. »Für kurze Zeit können wir uns ungestört unterhalten. Die Kameras können uns nicht beobachten, und der Lärm der Leute übertönt unsere Worte.«
Cloud atmete tief durch.
»Sagen Sie nichts, sondern hören Sie nur zu. Was ich Ihnen zu sagen habe, ist von größter Wichtigkeit.« Er warf dem Riemenmann einen Blick zu. »Erinnern Sie sich noch an unser Gespräch in den Toten Räumen? Ich bat Sie, mit dem Ausbruch zu warten und mit zum Mond zu kommen. Damals wußte ich nicht, ob ich Ihnen völlig vertrauen konnte, und wagte nicht, Ihnen alles zu verraten. Vielleicht war das ein Fehler. Aber nun sind Sie hier – und Ihnen bleibt keine andere Wahl, als uns zu helfen, wenn Sie nicht den Rest Ihres Lebens hier auf
Weitere Kostenlose Bücher