Die Terranauten 026 - Der Weg nach Argus
eigentümlichen Singsang. »Chan de Nouille, unsere Mutter, die im Jahr 2547 von uns gegangen ist. Sie ist tot und doch nicht tot. Die Kaiserkraft riß Shondyke und alle auf ihm befindlichen Lebewesen in den Weltraum II, wo noch immer ihre Seelen treiben. Sie kennen das Treiber-Prinzip, nicht wahr?«
Die falsche Helena Koraischowa schwieg. Mit einemmal begriff sie, worauf diese gespenstische Zeremonie hinauslaufen sollte, was Grau-Alphas Andeutungen besagten und warum dieser mystische Ausdruck auf den Gesichtern der Gardisten lag.
Sie sind verrückt, sie sind wirklich verrückt!
»Austausch von Energie«, flüsterte Grau-Alpha. »Zwischen diesem Universum und dem Weltraum II; Geben und nehmen. Verstehen Sie jetzt? Es gibt eine Möglichkeit, Chan de Nouille in diese Welt zurückzurufen. Es gibt eine Möglichkeit, den Untergang der Garden zu stoppen. Sie werden sterben, jetzt, an dieser Stelle. Ihre Lebensenergie, Ihre Seele wird in den Weltraum II übertreten; und wir haben Vorkehrungen getroffen, daß im gleichen Augenblick Chan de Nouille eine Möglichkeit erhält, Ihren Platz einzunehmen.«
Unruhe kehrte unter die Gardisten ein, Erwartung, eine fast religiös anmutende Sehnsucht.
»Sind Sie bereit?« schrie Grau-Alpha.
Die falsche Manag befeuchtete ihre spröden Lippen. »Sie begehen einen Fehler«, sagte sie heiser. »Es ist nicht nötig, daß Sie mich töten, um die Große Graue in diese Welt zurückzuholen, denn ich – ich bin Chan de Nouille.«
*
»Identifizierung positiv«, sagte die wohlmodulierte Stimme des großen Elektronenrechners. »Die Person ist mit Chan de Nouille identisch.«
Im gleichen Moment erlosch das Fesselfeld. Helena Koraischowa alias Chan de Nouille war frei. Stöhnend sank Grau-Alpha auf die Knie. Sie zitterte, und ihre großen Augen waren auf den Boden gerichtet. Die übrigen Gardisten knieten ebenfalls.
»Töten Sie mich, Herrin«, bat das Neutrum. »Ich habe gefehlt. Ich habe versagt. Töten Sie mich.«
Chan de Nouille verließ den Metallsockel und trat auf Grau-Alpha zu.
Schock! Ein bedauernswertes Wesen …
»Stehen Sie auf, Grau-Alpha«, befahl sie. Ihr Gesicht war ausdruckslos, verriet nicht, was hinter ihrer Stirn vor sich ging. »Sie haben nicht versagt. Sie haben Ihr Bestes getan. Ihr Irrtum ist verzeihlich. Stehen Sie auf!«
Zögernd erhob sich das geschlechtslose, katzenhafte Wesen, hielt noch immer den Kopf geneigt, wagte nicht, der Großen Grauen in die Augen zu sehen.
Viel Zeit ist schon verflossen. Vielleicht zuviel … Ich muß mich beeilen.
Wieder dachte sie an Hinnersen Bolter, fragte sich, was aus ihm geworden war. Und sie dachte an den Mann ohne Gesicht. Hatte er nicht gesagt, daß es nicht unerheblich war, wer von ihnen beiden Lordoberst Valdec – oder vielmehr seine semi-reale Ausgabe – tötete?
Was ist, wenn Hinnersen mir zuvorkommt? Wird nur er zurückkehren, und werde ich weiter in dieser Realität verbannt bleiben?
Chan de Nouille schauderte.
Nein, um jeden Preis würde sie versuchen, ihm zuvorzukommen. Sie mußte zurück in ihre Welt. Gleichgültig, was Bolter ihr bedeutete.
Dieser Servis, der vielleicht kein Servis ist …
Ein Plan begann in ihr zu reifen. Sie musterte das Neutrum und die Gardisten, die geduldig auf ihre Befehle warteten. Selbstverständlich würde sie vorsichtig agieren müssen.
Die Verehrung, die man ihr entgegenbrachte, konnte bei der geringsten Fehlreaktion in Haß umschlagen. Sie stand Psychopathen gegenüber, einer besonderen Sorte Psychopathen, aber unzweifelhaft waren sie verrückt – und gefährlich.
Sie räusperte sich und lächelte milde.
Die Große Graue wußte mit einemmal, wie sie vorgehen würde.
»Grau-Alpha«, sagte sie hart, »ich bin auf Ihre Loyalität angewiesen. Der Niedergang der Garden ist nicht allein auf die Kaiserkraft und die veränderten politischen Bedingungen im Reich zurückzuführen. Ich besitze unanzweifelbare Informationen, daß Lordoberst Max von Valdec systematisch die Macht der Grauen Garden unterhöhlt hat und zumindest indirekt verantwortlich für den Untergang Shondykes ist.«
Das Neutrum taumelte. Blässe ließ seine Gesichtszüge fahl erscheinen. »Herrin …!« hauchte das katzenhafte Wesen.
Chan de Nouilles Stimme wurde schneidend. »Unterbrechen Sie mich nicht! Meine Informationen besagen ebenfalls, daß Valdec dabei ist, die Reste der Garden im Kaiser-Haus auszuschalten. Sie, Grau-Alpha, sind ihm bei der Durchführung seiner Pläne im Wege. Wir haben nur noch
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