Die Terranauten 030 - Blick in die Vergangenheit
ihn mag, entzieht sich meiner Kenntnis. Anscheinend kommt sie mit ihm zurecht, sonst hätte sie jemand anderen für das Experiment gewählt.«
»Aha – die hundertprozentige Wissenschaftlerin. Weißt du, ob sie einen Gefährten hat?«
Mar-Estos vergaß Shadow und die Misteln und das Experiment. Er mühte sich, seinen Gesichtsausdruck neutral zu halten.
»Du weißt, daß mich diese ganzen Mistelsachen nicht besonders interessieren«, erklärte er scheinbar gelangweilt. »Die Treiber sind allerdings ganz interessante Typen, und unsere Biologin – für meinen Geschmack hat sie zuviel Köpfchen und zuwenig Busen. Ich habe gehört, daß sie bis in die Nacht im Labor arbeitet. Wenn ich nachts nach Hause komme, brennt meistens noch Licht, also stimmt es wohl. Für einen Gefährten dürfte sie dabei kaum Zeit haben.«
»Das ist gut.« Growan richtete sich erleichtert auf, warf einen flüchtigen Blick auf die Kontrollschirme und wanderte an den Arbeitstischen entlang. »Ach ja – wie geht es übrigens Luzia? Sie scheint mir in letzter Zeit etwas blaß.«
»In letzter Zeit hat sie unter Müdigkeit zu leiden, aber das liegt wahrscheinlich am Wetter. Diese plötzliche Hitze – ganz ungewöhnlich für Grönland.«
»Allerdings.« Growan wischte sich über die Stirn, wobei er darauf achtete, sein Barett nicht zu verschieben. Er machte einen mitleiderregenden Eindruck, aber Mar-Estos hütete sich, seinen Onkel zu unterschätzen. Growan redete gern und viel, aber meistens verbarg sich hinter dem Wortschwall eine ganz bestimmte Absicht. Einem unvorsichtigen Gesprächspartner konnte es leicht passieren, daß er Dinge sagte, die er eigentlich für sich behalten wollte. »Und so eine schwüle Luft. Äußerst ungesund. Ist das der Grund, warum Myriam heute nicht im Labor ist?«
»Sie fühlt sich nicht wohl – habe ich gehört. Leicht möglich, daß es an der Schwüle liegt. Wenn man sich einmal an die kalte, trockene Luft Grönlands gewöhnt hat, kann dieses Föhnwetter gefährlich sein.«
Growan nickte. »Ich werde sie besuchen«, meinte er nebenher. »Vielleicht fehlt es ihr an etwas. Außerdem möchte ich sie zu einem kleinen Besichtigungsflug einladen. Dottore Keller, seine Gefährtin, Clint und noch einige interessante Leute werden auch daran teilnehmen.«
Mar-Estos mußte an sich halten, um nicht zu schnell zu antworten.
»Ich glaube, sie liegt im Bett«, meinte er. »Und bestimmt tut es ihr gut, wenn sie Ruhe hat. Wie wäre es, wenn du sie morgen besuchst? Ich kenne keine Frau, die gerne Herrenbesuch empfängt, wenn sie sich nicht ganz wohl fühlt.«
Carlos Lema kam zwischen den Labortischen entlang. Er trug auf einem Tablett die Instrumente für eine Belebungsinfusion, die dem an dem Experiment beteiligten Treiber verabreicht wurde, wenn er zu tief in Trance versank.
»Carlos!« rief Mar-Estos. »Dein Bruder hat doch heute morgen mit Myriam gesprochen. Wie geht es ihr?«
Carlos Lema blieb stehen. Er machte ein erstauntes Gesicht. Offensichtlich begriff er nicht, was Mar-Estos von ihm wollte. Growan wandte ihm glücklicherweise den Rücken zu, so daß Mar-Estos ihm rasch ein Zeichen geben konnte. Carlos’ Blick glitt zu dem Manag.
»Oh, nicht besonders«, sagte er gedehnt. »Sie möchte gerne schlafen. Gestern nacht hat sie sich wohl zuviel zugemutet.«
Mar-Estos mußte an Clint Gayheens überraschtes Gesicht denken. Der Vertraute Growans hatte sich höchst mitfühlend nach dem Befinden Myriams erkundigt, aber Mar-Estos wurde den Verdacht nicht los, daß Gayheen etwas mit den Vorgängen der vergangenen Nacht zu tun hatte. Wer sonst konnte ein Interesse daran haben, Myriam zu entführen? Obwohl es natürlich noch andere Möglichkeiten gab – Spione anderer Konzerne etwa. Aber Gayheen …? Wenn nur Kun noch lebte! Er hätte gewußt, wer auf Myriams Wissen Wert legte.
»Nun gut, dann werde ich sie eben morgen besuchen. Vielleicht kann einer ihrer Mitarbeiter ihr meinen Besuch avisieren? Du, Mar-Estos?«
Mar-Estos verzog das Gesicht. »Dir zu Gefallen, Onkel«, meinte er mürrisch. »Wenn ich heute nachmittag Zeit habe. Kannst du vielleicht Luzia nach Blumenau begleiten? Ich hatte ihr für heute einen Besuch bei den Pankaldis in Brasilien versprochen.«
»Aber ja«, Growan rieb sich erfreut die Hände. »Wenn sie dieses eine Kleid wieder trägt … Du mußt schon entschuldigen, aber sie sah darin wirklich ganz entzückend aus.«
Mar-Estos lächelte, was sein Gesicht unglaublich veränderte. Unvermittelt
Weitere Kostenlose Bücher