Die Terranauten 033 - Der Kampf um Aqua
haben!«
»Yggdrasil ist … tot?«
Der Riemenmann lächelte bitter. »Man merkt, daß du längere Zeit von allen Informationen abgeschnitten warst. Ja, Yggdrasil ist tot oder zumindest versteinert. Ich weiß nicht, ab wann man eine Pflanze tot nennen kann, die ja immerhin schon Jahrtausende unter dem Eis Grönlands lebend überstanden hat. Du begreifst, daß die Treiberraumfahrt damit praktisch zu Ende ist. Es gibt keine Misteln mehr, keine Treiber und keine Treiberschiffe. Die Schiffe wurden von den Grauen Garden beschlagnahmt und die meisten in ein ebenfalls unbekanntes Sonnensystem gebracht, wo sie sozusagen auf Eis liegen.«
»Keine Treiberraumfahrt mehr?« wiederholte Gunther V. fast tonlos. Diese Information traf ihn schwer. Er war jetzt dreißig Standardjahre alt. Und von diesen dreißig Jahren hatte er fast die Hälfte als Treiber verbracht. Er konnte sich noch gar, nicht vorstellen, wie es sein würde, kein Treiber mehr zu sein.
»Und was hat es mit dieser Kaiserkraft auf sich?« fragte er. »Ich hatte bisher keine Gelegenheit, ein damit ausgerüstetes Schiff zu sehen.«
Llewellyn 709 wurde noch ernster, als er es ohnehin schon war.
»Kaiserkraft ist tödlich«, sagte er. »Bei jeder Anwendung wird ein Loch aufgerissen, aus dem Weltraum-II-Energie in unser Universum strömt. Du weißt, daß sich die Energien des Diesseits und des Jenseits nicht miteinander vertragen – sich nicht miteinander vertragen können! Die Stabilität des Universums wird gestört. Es muß zwangsläufig zu Katastrophen kommen. Und der Katastrophenfall ist auch bereits mehrmals eingetreten. Eines Tages wird sich eine solche Katastrophe zu einer Kettenreaktion auswachsen, die sich nicht mehr stoppen läßt. Und dann …«
Der Riemenmann schwieg und blickte mit finsterer Miene vor sich hin.
»Man müßte etwas tun, damit dieser Wahnsinn aufhört«, sinnierte Gunther. »Bevor es zu spät ist!«
»Wir tun etwas«, sagte Llewellyn beinahe leidenschaftlich. »Wir, die Terranauten! Dürfen wir dich von nun an zu den unsrigen zählen, Gunther?«
Gunther V. brauchte nicht eine einzige Sekunde, um die Frage des Riemenmanns mit einem überzeugten Ja zu beantworten.
Eine halbe Stunde später entdeckte Llewellyn eine unbewohnte Insel, auf der er den Ringo landen konnte.
*
Die Entfernung zwischen Miramar und Middlehaven betrug rund dreitausend Kilometer. Mit einem schnellen Schwebegleiter war die Strecke bequem in fünf bis sechs Stunden zurückzulegen. Aus diesem Grunde verzichtete Argan Pronk auch darauf, mit einer großen Abordnung in die Hauptstadt zu fliegen. Außer Jaan Walk, dem Piloten, war nur noch Willem Thergaard, der Chefbaumeister von Miramar, mit von der Partie.
Es herrschte ideales Flugwetter. Der Wind wehte nur schwach, und der meist bewölkte Himmel war aufgerissen. Der schrägstehende Sonnenball Wischnus zauberte schillernde Farbmuster auf das mäßig bewegte Wasser des Zentralozeans.
Als der Schweber den Großraum Middlehaven erreichte, wurden die ersten aus dem Meer aufgetauchten Inseln sichtbar. Das Land war noch feucht. Nebelbänke zogen darüber hinweg. Überall dort aber, wo sich der Nebel bereits verflüchtigt hatte, zeigte sich das leuchtende Rot der Hibernien. Die ersten Sonnenstrahlen hatten die Pflanzen zum Erblühen gebracht, so daß sie nun ihre ganze Pracht entfalteten.
Für Argan Pronk war dieses Bild immer wieder von neuer Faszination. Der seltsame Lebensrhythmus der Hibernien kam ihm vor wie ein Wunder. Es spielte keine Rolle, ob die roten Blumen nur wenige Tage oder mehrere Wochen unter Wasser verbracht hatten. Sobald sie auftauchten, öffneten sich ihre Kelche. Auf geheimnisvolle Weise schienen die Hibernien in der Lage zu sein, ihr Wachstum selbst zu steuern und den jeweiligen Gegebenheiten von Ebbe und Flut genau anzupassen.
Bald zeigten sich unten auf dem Meer auch schon die Ernteschiffe aus Middlehaven. Sie hatten keine Zeit zu verlieren, denn die Hibernien mußten schnellstens eingesammelt werden. Kurz bevor die nächste Flut kam, verblühten sie und waren damit für die Produktion von H1 verloren.
Es dauerte nicht mehr lange, dann erschien am Horizont die Silhouette Middlehavens.
Middlehaven war nicht nur die Metropole, sondern gleichzeitig auch die größte Stadt Aquas. Das galt sowohl für die Einwohnerzahl als auch für die Fläche. Während in Miramar und den anderen Siedlungen Fertigungsbetriebe nur sehr dünn gesät waren, verfügte Middlehaven durchaus über eine achtbare
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