Die Terranauten 035 - Die Piraten-Loge
sich noch immer auf Rubin befanden. Doch hier war dieses rote Leuchten von anderer Natur. Der Himmel selbst schien zu brennen. Wie große, entzündete Poren waberten Verwerfungen in der glatten Fläche des Firmaments, ein glosendes Mosaik von Myriaden feuriger Vulkankrater, von denen jeder kleiner als ein Pfennigstück war. Keine Sonne stand an diesem unwirklichen, furchtbaren Himmel, und dennoch herrschte eine Temperatur wie an einem frischen Frühlingstag.
Keine Sonne, kein Mond, keine Sterne. Nichts. Nur dieses allumfassende Glühen.
»Was ist das?« flüsterte David verblüfft. »Bei allen Sternen, was ist das?«
Fast schien sich Mandorla zu amüsieren. »Das ist die Feuerschale«, erwiderte sie betont. »In ihr befindet sich diese Welt, und der einzige Weg nach Shondyke führt durch die Weltraumstraßen. Verstehen Sie nun, warum es bisher weder den Terranauten, noch dem Konzil gelungen ist, die Position von Shondyke zu erfahren? Niemand kann die Feuerschale durchdringen. Und niemand weiß, was hinter ihr liegt. Die galaktische Position Shondykes ist niemandem bekannt.«
Das, dachte David terGorden bestürzt, änderte die Lage vollkommen.
»Erinnert irgendwie an unser schönes Rorqual«, brummte der Riemenmann.
Shondyke – ein zweiter Planet in Weltraum II?
*
Mit einem leisen Klicklaut beendete die Lernmaschine die Übertragung des Programms.
Abashe doNhor blinzelte. Wie jedesmal nach einer langen Lektion unter der Lernmaschine empfand sie ein quälendes Gefühl der Irrealität. Begriffe tanzten durch ihr Bewußtsein, neu und doch altbekannt. Tonnage eines Ringos … Leistung des MHD-Triebwerks … Das Netzwerk der Mikroprozessoren … Der Bauplan … Alles lag nun klar in ihrem Geist, und die Wissensbruchstücke glitzerten wie polierte Diamanten.
Langsam wich die Verwirrung.
Mit geübten Bewegungen entriegelte sie die Gurte des Servosessels, verdrängte die Gedanken an den inneren Aufbau des Ringos, die stetig und hartnäckig wiederkehrten und um ihre Aufmerksamkeit kämpften. Nach zwei Stunden Schlaf, so wußte die junge Adeptin der Grauen Garden, würde sich ihre Verwirrung legen. Das hypnotisch erhaltene Wissen benötigte diese Zeitspanne, um sich mit den anderen Inhalten ihres Gedächtnisses zu verbinden.
Doch dann würde sie sich an Bord eines jeden Ringos so gut auskennen, als hätte sie ihr ganzes Leben dort verbracht.
Jemand stieß sie an. Abashe blickte auf und lächelte schwach.
»Überlebt?« fragte Syncia Emeralda mit leisem Spott. Die Adeptin überragte Abashe um einen ganzen Kopf, war aber schlanker und von blaßbrauner Hautfarbe. Sie legte ihre Hand auf Abashes Schulter und sah sie dann ernst an. »Du siehst erschöpft aus, Kleines. Komm, gehen wir in unsere Kabine und legen uns schlafen.«
Abashe erhob sich. »Legen wir uns hin, oder schlafen wir auch?« entgegnete sie mit dem gleichen Spott.
»Wir werden schon einen vernünftigen Mittelweg finden.« Syncia lachte. Fast widerstrebend löste sie ihre Hand von Abashes Schulter und wandte sich dem Ausgang der großen Lernhalle zu. Die meisten Adepten hatten den dämmrig erleuchteten Saal bereits verlassen. Die Dioden der Lernmaschinen waren erloschen, und nur einige flimmernde Skalen wiesen darauf hin, daß der Zentralcomputer die Bildungsprogramme auswechselte und alles für den nächsten Lehrgang vorbereitete.
Abashe folgte Syncia Emeralda mit schleppenden Schritten. Sie war tatsächlich erschöpft, registrierte sie nüchtern. Aber dies lag nicht allein an der anstrengenden Sitzung unter der hypnotischen Haube.
Die metallene Kühle der unterirdischen Korridore und Räume bedrückte sie. Sie vermißte die weiten Himmel von Sigma Chorn, die Ritte über die kargen Ebenen auf den Einhörnern aus dem Stall ihrer Mutter, die Gespräche mit ihren Schwestern …
Unwillig schüttelte die junge Frau den Kopf.
Sie war die älteste Tochter von Hane doNhor, der Matriarchin der Großen Familie aus dem Klippenland, und seit zwei Jahrhunderten war es bei den Aristokratensippen von Sigma Chorn Gesetz, daß die älteste Tochter um die Aufnahme in die Grauen Garden ersuchte.
Sie hatte sich dem Gesetz gebeugt.
So wie ihre Vorgängerinnen war sie an Bord eines Schiffes des auf Sigma Chorn bestimmenden Cosmic-Stahlhütte-Konzerns gegangen und irgendwo auf einer fernen Welt den Grauen übergeben worden.
Nun befand sie sich hier auf Shondyke, obwohl sie nicht wußte, wo sich dieser Planet befand und ob Shondyke überhaupt ein Planet war,
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