Die Terranauten 042 - Der Sammler
bist du? Bist du Llewellyn 709, der Riemenmann?
Mar-Estos. Mar-Estos. Mar-Estos.
Ein klagender, mitleiderregender Singsang, dessen Tonfall eine unbestimmbare Angst in Lyda auslöste. Aus diesem Singsang sprach grenzenlose Verlassenheit.
Mar-Estos. Mar-Estos. Mar-Estos.
Plötzlich begriff Lyda.
Das fremde Bewußtsein wiederholte pausenlos seinen Namen, weil es in dieser grenzenlosen Leere nichts anderes gab, an das es sich hätte klammern können.
Mar-Estos, dieses frühere Ich des Riemenmannes, schien sich in einem fortgeschrittenen Stadium des Persönlichkeitszerfalls zu befinden!
Aber warum versuchte das einsame Bewußtsein denn nicht, seine Identität dadurch zu stabilisieren, daß es sich seinen Erinnerungen hingab? Warum hatte es sich keine Traumwelt aufgebaut, um darin zu überleben?
Mar-Estos. Mar-Estos. Mar-Estos.
Lyda konzentrierte sich mit aller Kraft, um den Wall zu durchdringen, den das andere Bewußtsein um sich aufgerichtet hatte. Sie spürte, wie Damon Credock sie bei dieser ungeheuer schweren Aufgabe zu unterstützen versuchte, indem er ihr seine gesamten mentalen Energiereserven zur Verfügung stellte.
Der Wall zerbrach.
Und Lyda sah das Gesicht eines Mannes …
… Eine verzerrte Maske, böse und traurig zugleich.
Sie kannte Mar-Estos’ Gesicht. Es war das gleiche, das sie schon in ihren Träumen gesehen hatte.
Das Wispern, jetzt plötzlich stärker, kündete von unerträglicher Qual, von Schmerzen des Körpers und der Seele …
Eine neue Antwort – und zugleich ein neues Rätsel.
Die Korallenstadt hatte Lyda gerufen, aber sie hatte das nicht mit ihrer eigenen Stimme getan, sondern mit der Stimme des Mar-Estos-Bewußtseins!
Die Korallenstadt selbst ist zu fremdartig, meldete sich Damon Credock in Lydas Geist. Du hättest sie niemals verstehen können, wenn sie sich nicht der einfacheren Impulsmuster von Mar-Estos bedient hätte.
Lyda strahlte einen knappen Impuls der Zustimmung aus und machte sich daran, noch tiefer in das Mar-Estos-Bewußtsein vorzustoßen. Wie der ständig wiederholte Name war auch das Bild dieses vor Qual verzerrten Gesichtes ein Wall, hinter dem sich die Person Mar-Estos verbarg.
Auch dieser Wall löste sich langsam auf.
Dann kamen die Bilder.
Wie scharfkantige Splitter schnitten Mar-Estos’ Erinnerungen in Lydas und Damons Geist. Das Doppelwesen Lyda/Damon schrie lautlos auf.
Jetzt wurde klar, warum Mar-Estos sich nicht seinen Erinnerungen zuwandte, um dadurch den rasch voranschreitenden Persönlichkeitsverfall aufzuhalten.
Diese Erinnerungen waren ganz einfach zu schrecklich.
Mar-Estos, der als Mittler bei den Surinen lebt und PSI-Fähigkeiten an sich entdeckt, die die aller anderen Mittler bei weitem übertreffen …
Dann: Ein kurzer, scharfer Schmerz. Bewußtlosigkeit. Und schließlich das Erwachen in einem kalten, sterilen Raum, der an den Operationssaal in einem Krankenhaus erinnert.
Zwei Gesichter …
Kühle graue Augen, ein selten lächelnder Mund. Schwarzes, sorgfältig gescheiteltes Haar, das an den Schläfen langsam eisgrau wird. Das Gesicht gehört zu einem mittelgroßen, gepflegt wirkenden Mann – und zu einem Namen, an den Mar-Estos nur voller Haß und Entsetzen denken kann: Hermano Lotz.
Der zweite Mann ist jünger, sein Gesicht freundlicher. Lotz’ Assistent. Seinen Namen erfährt Mar-Estos nie.
Dann: die Experimente.
Schmerzen. Grauenhafte Schmerzen, die Mar-Estos’ Geist zu zerreißen drohen. Je stärker die Schmerzen werden, desto mehr nehmen zugleich auch Mar-Estos’ PSI-Fähigkeiten zu. Aber der Preis ist hoch.
Unmenschlich hoch.
Schließlich: die Explosion.
PSI-Energien geraten außer Kontrolle. Das Universum scheint auseinanderzureißen. Die Energiefluten schlagen wie eine Woge über den Wissenschaftlern zusammen, die um den Operationstisch herumstehen, auf dem Mar-Estos liegt. Der junge, freundliche Mann, dessen Namen der Gefolterte nicht kennt, taumelt zurück, verformt sich … Löst sich auf. Dann wird die Gestalt wieder erkennbar. Aber sie hat keine Ähnlichkeit mehr mit einem Menschen.
Die anderen Wissenschaftler sind verschwunden. Wilde Befriedigung durchpulst Mar-Estos. Doch in diese Befriedigung mischt sich Bedauern darüber, daß Hermano Lotz bei diesem Experiment nicht zugegen gewesen ist.
Dann: die Flucht.
Mar-Estos irrt durch den Dschungel. Etwas ruft ihn, und er schlägt sich zur Küste durch, findet dort eine Seerosenqualle.
Die Reise über das Meer. Nebel. Ein Traumhaken senkt sich auf die
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