Die Terranauten 047 - Die Haßseuche
seinen erfolgreichen Aktionen gedemütigt hatte.
*
Für einen winzigen Augenblick waren der Riemenmann an Bord der CYGNI und David terGorden an Bord des Ringos wie gelähmt, dann reagierten sie gleichzeitig. Llewellyn sprang auf und war mit einem Satz an den Kontrollen für die Normaltriebwerke. Dumpfes Tosen erschütterte das Trichterschiff, als der Goldene die Reaktoren hochfuhr, ohne Vorwärmung. Warnanzeigen schnellten in den roten Bereich.
»Schneller!« rief Lyda, deren Blick an der Ortungsanzeige klebte. »Viel schneller!«
Der Ringo bewegte sich jetzt ebenfalls, aber zu langsam.
Ein greller Lichtblitz raste über die Außenbildschirme, jagte dicht an dem Ringo vorbei und verlor sich in der Finsternis.
»Geschützkuppel Drei. Es müssen die Grauen sein.« Die Narianerin stürmte an die Kontrollen, führte Schaltungen aus. Keine Reaktionen – und genau das hatte sie befürchtet. Irgendwie war es Ishiya gelungen, die Schaltkreise des Haupt-Systems zu umgehen und den manuellen, von der Zentrale unabhängigen Betrieb zu aktivieren.
Llewellyn 709 steuerte die CYGNI in einen höheren Orbit, versetzte das Schiff mit den Korrekturtriebwerken in eine leichte Taumelbewegung. Wieder zuckte ein schenkeldicker Energieblitz auf, der von der Finsternis der Schattensonne verschluckt wurde.
Lyda aktivierte das Visiophon und strahlte einen Ruf an die Medizinische Abteilung aus. Farrell und die anderen Treiber mußten eingreifen, unbedingt. Das Unheil, das von den Gardisten ausging, nahm immer mehr zu. Aber der Ruf verhallte ungehört; niemand meldete sich. Eine schreckliche Befürchtung entstand in der jungen Frau, aber sie drängte sie rasch zur Seite.
Auf den Ortungsschirmen pulsierte der Reflex, den der Ringo hervorrief, wurde allmählich blasser, verlosch dann.
»Sie sind in Sicherheit«, sagte sie und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Mein Gott, viel hat nicht gefehlt …«
»Energetische Aktivität des Ion-Lasers nimmt ab«, meldete der Riemenmann und ließ sich seufzend in seinen Sessel fallen. »Die Kerle haben eingesehen, daß sie jetzt nichts mehr ausrichten können.« Er deutete auf die Schirme. Rorqual zog unter ihnen hinweg. »Dort unten muß bald eine Entscheidung fallen. Wir haben verdammt wenig Zeit.«
»Das Ultimatum«, sagte Lyda tonlos und dachte an die Forderung Valdecs. Bedingungslose Kapitulation. Was wog mehr: die mögliche Rettung einer Welt – Quostan – oder die Fortsetzung des Kampfes gegen das Konzil?
Zehn Minuten lang geschah gar nichts, dann ertönte in unmittelbarer Nähe eine donnernde Detonation. Ozondunst lag in der Luft. Eine zweite Explosion, noch näher, die ihnen das Blut in den Adern gefrieren ließ.
»Ich hab’ es geahnt. Irgendwann mußte es geschehen.« Llewellyn atmete schwer. »Sie greifen die Zentrale an …!«
*
Claude Farrell schwamm in einem Meer aus Angst, einem Ozean aus Bosheit und Niedertracht, dessen Fluten und gischtende Wellen ihn zu ersticken drohten.
Ozean, dachte er, und im gleichen Augenblick drang salziges Wasser in seine Luftröhre, ließ ihn husten und nach Luft schnappen. Das Wasser war kalt, so kalt, daß seine Glieder nach wenigen Sekunden gefühllos wurden. Er wußte ganz genau, daß er sich nur wenige Minuten im Wasser aufhalten durfte, dann mußte er hinaus, wollte er nicht riskieren, lebensgefährliche Unterkühlungen zu erleiden. Er hielt inne, trat Wasser und sah sich suchend nach einem rettenden Eiland um. Nur Wasser, wohin er auch blickte, Gischt, peitschender Sturm, graues Wogen. Die Wolken hingen tief, und aus ihnen tropfte gelber Regen.
Dann sah er das Floß. Es schwankte auf den Wellen hin und her, aber die Baumstämme waren so gut miteinander verbunden, daß es auch in diesem Sturm, in diesem entfesselten Inferno stabil blieb. Farrell spürte die Kälte durch seine Adern rinnen, wußte, daß ihm nicht mehr viel Zeit blieb, arbeitete sich vorwärts, immer näher an das rettende Floß heran. Jemand hatte sich mit Tauen darauf festgezurrt, um von den Gewalten nicht davongespült zu werden. Er schrie, aber seine Stimme ging im Tosen unter.
Und dann berührten seine zitternden Hände nasses Holz.
»Hilf mir, so hilf mir doch!«
Es war eine Frau, und jetzt drehte sie sich langsam zur Seite und musterte ihn. Er kannte sie, wußte aber nicht, woher. Ihr Name war Sirdina Giccomo. Sie war nur mit einem dünnen Slip bekleidet, sah ihn stumm und ausdruckslos an. Aus ihren kurzgeschnittenen hellbraunen Haaren
Weitere Kostenlose Bücher