Die Terranauten 047 - Die Haßseuche
tropfte salziges Wasser. Und plötzlich regte sie sich, löste das Tau, kroch auf ihn zu. Farrell reichte ihr die Hand.
»Schnell, ich kann nicht mehr!« Sie lächelte, aber es war kein angenehmes Lächeln, voller Kälte. Sie ballte die Hände zu Fäusten, holte aus, schlug zu, traf seine Nase. Verzweifelt versuchte Claude Farrell, sich an den glitschigen Stämmen des Floßes festzuklammern, aber die Fäuste trafen auch seine Hände, zerrissen die Haut.
Und dann verlor er den Halt, sank zurück in die tobenden Fluten. Sirdina lachte, und das Lachen wurde immer lauter, immer lauter, immer …
»He, Junge, bist du okay?«
Mühsam öffnete er die Augen, starrte in die von Scanner Ruben Carcones, der seine Augen vor Jahren verloren hatte. Die Züge des Assassinen drückten Besorgnis aus. Irgendwo in seiner Nähe knackte und knirschte es, dann zerbrach Glas.
»Himmel!« rief Angila Fraim. »Ich brauche eure Hilfe. Sie spricht nicht auf das Beruhigungsmittel an!«
Claude Farrell sprang wieder auf die Beine, sah in das zu einer Fratze gewordene Gesicht der tobenden Zwanzigjährigen, die wild um sich. schlug. Dieser Bereich der Medizinischen Abteilung ähnelte mehr einem Schlachtfeld als einem Labor. Überall umgestürzte Tische, zerborstene Bildschirme, zerfetzte Regale.
Ruben Carcones eilte Angila zu Hilfe, wollte einen Arm der Amoklaufenden packen und wurde von einer unsichtbaren Kraft zurückgeschleudert. Sein Gesicht verzerrte sich nun ebenfalls.
»Nein!« brüllte Farrell und jagte einen telepathischen Impuls in das Denken des Assassinen. Carcones stöhnte, kam wieder auf die Beine, nickte.
»Sie kann nichts dafür!« rief Farrell, um die spitzen Schreie der Treiberin zu übertönen. »Reiß dich zusammen!«
»Schon gut.«
Zusammen griffen sie Sirdina an beiden Armen. Farrell begriff jetzt, was mit ihm geschehen war. Als Sirdina der Haßwelle erlag – in ihrem erschöpften Schlaf –, hatte sie ihre PSI-Sinne geöffnet, und das hatte ihn mit in den Sog hineingezerrt. Er hatte teilgenommen an ihren eigenen Wahnvisionen – und viel hatte nicht gefehlt, dann hätte er sich durch den von ihr indizierten Wahnsinn selbst umgebracht.
Wieder setzte Angila Fraim eine Injektionspistole an, und eine zweite Ladung Beruhigungsmittel drang in den Blutkreislauf Sirdinas. Und noch immer beruhigte sie sich nicht. Schaum stand vor ihren Lippen, und ihre Augen waren blutunterlaufen. Es gab nur noch einen Weg, und Farrell zögerte nicht. Er konzentrierte. sich, sammelte die Kraft, die von der Haßseuche beeinträchtigt wurde, holte aus und schickte eine psionische Sonde in den Geist der Treiberin. Ihr Körper erstarrte, als ihr Denken auf diese nicht sehr angenehme Art und Weise kurzgeschlossen wurde, dann sackte sie zusammen. Ruben fing sie auf und legte sie vorsichtig auf eine Liege. Die Ruhe kehrte zurück.
Angila stöhnte, fuhr sich mit der Hand durch die kupferfarbenen Haare, richtete einen der umgestürzten Sessel auf und ließ sich müde in die Polster sinken.
»Nicht einmal der Schlaf bringt eine Pause«, brachte sie blaß hervor.
»Unsere Lebensfunktionen beschleunigen sich immer weiter«, sagte der PSI-Assassine. »Darum hat sie auch nicht auf die Injektionen angesprochen. Es wird immer ernster. Bald wird nichts mehr den Wahnsinn aufhalten.«
Claude Farrell sah sich um. Dieser Bereich des Medo-Trakts war nahezu vollständig zerstört. Er beachtete die Schnittwunden an seinen Händen und Armen nicht, die von der Auseinandersetzung mit der Tobenden herrührten. Die Versuchsanordnungen, die sie errichtet hatten, existierten nicht mehr. Das Visiophon war nur noch eine rauchende Masse Metall. Das Chaos war nicht aufzuhalten, Carcones hatte recht. Farrell fühlte, wie Resignation in ihm aufsteigen wollte, drängte sie aber rasch beiseite. Das war das letzte, war sie sich leisten konnten.
Eine dumpfe Detonation ertönte, die die Wände und die wenigen nicht zerbrochenen Gläser vibrieren ließ. Farrell und Carcones sahen sich vielsagend an, dann erfolgte die zweite Explosion.
»Die Grauen hätte ich beinahe vergessen«, meinte Angila leise. Farrell fluchte, als er sich erhob und nach seiner Waffe tastete.
»Die Zentrale?« erkundigte sich Carcones. Claude pickte. »Genau das befürchte ich. Horcht einmal. Die Systeme der CYGNI liegen still. Wir sind also nicht in Weltraum II. Wo wir uns befinden, weiß ich nicht, aber eins ist sicher: Wir dürfen das Schiff nicht in die Hände Ishiyas fallen lassen. Das wäre unser
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