Die Terranauten 051 - Welt im Chaos
näher an das Westufer heran. An Deck wimmelte es von Menschen. Einige Matrosen, die in die Wanten geklettert waren, winkten zurück. Man hatte sie gesehen!
»Jetzt frage ich mich nur noch«, murmelte David verhalten, »ob man uns auch an Bord nehmen wird …«
*
Der Schiffseigner entschied sich positiv. Er ließ ein Boot aussetzen, und ein paar Minuten später kletterte David als erster über die Reling und schüttelte ihm die Hand.
»Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll, mein Lieber«, sagte er zu dem vierschrötig aussehenden Burschen, der mehr von einem mittelalterlichen Piratenkapitän als von einem ehrlichen Seemann an sich hatte. »Ich weiß nicht einmal, wie ich Ihre Gutherzigkeit je vergelten kann …«
Der bärtige Schiffer grinste. »Vergessen Sie’s, Hellhaar«, sagte er und deutete mit dem Daumen nach hinten. »Daß ich Sie und Ihren Trupp mitgenommen habe, verdanken Sie jemandem, den Sie hier sicher nicht zu treffen erwartet haben.«
David sah sich um. Auf dem Oberdeck stand ein abgerissen wirkender Mann und winkte ihm zu. Obwohl er sichtlich mitgenommen aussah, schien er seinen Humor noch nicht verloren zu haben. »Hallo, David«, rief er gutgelaunt. »Ich wußte doch, daß ich mich auf meine pulvergeschwärzten Augen noch verlassen kann. Kommen Sie rauf, dann trinken wir einen zusammen!«
»Marcel d’Guinne!« rief David erstaunt. »Sie leben noch?«
»Unkraut vergeht halt nicht.«
D’Guinne lachte laut. Einige Minuten später saßen David und Thorna in seiner Kabine auf einer eisenbeschlagenen Kiste, wärmten sich den Magen mit einem teuflischen Schnaps und ließen sich erzählen, wie es dem Händler, der wie Thorna von der Erde stammte, inzwischen ergangen war. Seine Pläne, den Großkaufmann Alain Rogier zu entmachten, hatten sich inzwischen in Rauch und Feuer aufgelöst, denn Rogier hatte mehr Kaufleute auf seine Seite ziehen können, als er zunächst angenommen hatte. »Er ist gegen die O’Broins, die Vascinis und all die anderen Fürsten zu Felde gezogen, als die Natur anfing, verrückt zu spielen«, berichtete er, »aber ich glaube nicht, daß eine von beiden Gruppen auf lange Sicht einen Sieg erringen kann. Die Gewalt, die momentan herrscht und die Bewohner Rorquals zu einer wahren Völkerwanderung gezwungen hat, verhindert, daß die kriegführenden Parteien genug Leute rekrutieren können, um einander endgültig den Garaus zu machen. Ich hielt mich gerade im Delta des Lannon auf, als sie anfingen, wie die Wilden aufeinander einzuschlagen. Leider geriet mein stolzes Schiff mitten in die Auseinandersetzungen hinein? Wir waren darauf nicht vorbereitet und soffen ab. Zum Glück war gerade dieser alte Halsabschneider in der Nähe, auf dessen Höllenkahn wir uns nun befinden. Er ist mir verpflichtet. Deswegen konnte ich ihn auch ohne Bezahlung dazu überreden, euch an Bord zu nehmen.« Marcel d’Guinne lachte. »Aber nun zu euch, meine Lieben«, fuhr er fort. »Was treibt euch in diese gottverdammte Gegend, wo es bald nur noch heißer hergehen wird?«
David unterrichtete d’Guinne von der Verengung des Dimensionentors und der auf dem ganzen Planeten beobachteten Naturphänomene. Als der Händler hörte, daß die Bewohner von Pitcairn im Begriff waren, Rorqual zu verlassen und ins reale Universum zurückzukehren, legte sich sein Gesicht in kummervolle Falten. »Glaubt ihr wirklich, daß es so schlimm um den Planeten steht?« fragte er. »Als die ganze Sache allmählich anfing, Konturen anzunehmen, sind natürlich überall die tollsten Gerüchte herumgeschwirrt. Die weniger … äh … gebildeten Stände« – d’Guinne hüstelte diskret – »schieben das Chaos natürlich ihren Dämonen in die Schuhe, aber es sind auch Stimmen laut geworden, die die Vorkommnisse naturwissenschaftlich zu erklären versuchten.«
Er nahm einen Schluck aus seinem Becher. »Inzwischen müssen Tausende auf dem Weg nach Pitcairn sein, denn kurioserweise hat sich auch unter Teilen meiner Freunde herumgesprochen, daß sich dort Menschen unserer Zeit aufhalten. Manche glauben gar, eine Expedition der Erde habe Rorqual endlich entdeckt und einer Rückkehr in die Heimat stünde nichts mehr im Wege.«
»Wir haben die Auswirkungen teilweise schon zu spüren bekommen«, sagte David nickend. »Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob unsere Kapazitäten ausreichen, um jeden zu evakuieren, der Rorqual verlassen will.«
»Im Moment ist die Lage hier kaum zu beschreiben«, sagte d’Guinne. »Ich
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