Die Terranauten 074 - Yggdrasils Vermächtnis
nicht vernichtet zu werden wie die Hüter.
Wie lange dauert der Kampf um den Fortbestand des Universums? Ich bin ein Zaungast, dessen Gedanken mit durch die Unendlichkeit eilen, ohne etwas zu bewirken außer Informationen zu sammeln und zu speichern, als Erinnerungen mitzunehmen in die Zukunft, damit das Schreckliche gegenwärtig bleibt – als Warnung!
Es gelingt nicht, die Entropie-Katastrophen ganz zu unterbinden, sondern nur, sie auf einen relativ kleinen Bereich des Universums zu begrenzen. So wird durch Mißbrauch der Technik und durch Vergewaltigung der universalen Gesetzesmäßigkeiten das Schwarze Universum erzeugt. Aber es bleibt in sich begrenzt.
Ein großartiger, aber im Grunde unvollkommener Sieg der Weltenbäume. Und ein schlimmer Preis, der dafür gezahlt werden muß: Die Lange Reihe, das Große Netz, ist geschwächt wie niemals zuvor. Der Verbund über die unendlichen Weiten des Universums zersplittert. Weltenbäume vergehen, andere entarten. Der Rest verharrt in Besinnungslosigkeit, im dumpfen Grauen über das Erlebte, zeitlos, beobachtend, aber ohne neue Hoffnung.
Und ich bin wieder am Anfang, im Schwachsinn der Frühexistenz. Mein Bewußtsein schlummert, und in den Erinnerungen bleibt der Widerhall der Erfahrung: Begegnung zwischen den Hütern der Weltenbäume und den Kangrahs. Das Unverständnis auf beiden Seiten, weswegen es den Hütern nicht gelingt, die nahende Katastrophe abzuwenden, und die Kangrahs unfähig bleiben, die Verderbnis ihrer eigenen Technik zu erkennen. Und dann immer wieder das Aufbäumen der Einheit aller Urbäume über die Dimensionen hinweg. Eine ungeheure Kraft wird entfaltet, die dazu geeignet ist, Welten aus den Angeln zu heben, und nun friedlich genutzt wird, um das Universum vor der vollständigen Vernichtung zu bewahren und das Schwarze Universum von allem abzuschotten. Die Energien tosen, weil ein Teil davon zurückschlägt und viele Weltenbäume auslöscht oder doch nachhaltig schädigt.
Endlose Wiederholung der einzig wachen Erinnerungen, weil es sonst keine Erkenntnisse über meine Existenz gibt. Für wie lange?
Ich erwache in der Wärme, in der Geborgenheit, auf einem Planeten ohne sichtbare Probleme, und ich weiß auf einmal, daß ich lange Zeit in dieser Geborgenheit weilte, ohne mir dessen bewußt zu sein. Der Schmerz ist vorbei, und da sind nur mein Leben, mein Wachsen und meine Wurzeln in jenem anderen Raum.
Ich breite mich über den Planeten aus und erkenne die Anzeichen einer eigenen Lebensentwicklung in einer brodelnden, dampfenden, chemisch aktiven Ursuppe. Es macht mir nichts aus und ermöglicht mir neutrales Verhalten. Das entspricht meiner Vermutung, daß Leben, wie ich es bilde, sich an jede Umweltbedingung anpassen kann – sofern sie nicht absolut lebensfeindlich ist. Wo Leben entstehen kann, da darf auch ich existieren.
Ich beeinflusse nicht, und ich störe nicht, sondern genüge mir selbst und der Rolle des stillen Beobachters. Es ist interessant und erregend, dies alles zu erfahren. Vorbei ist die Erinnerung an Zerstörung und grausamen Schmerz. Gegenwart ist das Sammeln von wundersamen Details bei der Entstehung neuen Lebens außerhalb meiner über die Erde verteilten Körperheit. Nur durch Myriam kann ich diese Beobachtungen beschreiben.
Ich weiß, daß vor diesem Beginn Land und Meer wüst und leer waren und ich in Einsamkeit verhielt. Die Atmosphäre war damals eine stickige Mischung aus Stoffen wie Ammoniak, Methan, Wasserstoff, Kohlendioxid und Wasserdampf. Sonnenstrahlen, Radioaktivität, elektrische Entladungen und Vulkantätigkeit lieferten ständig Energie für endlose chemische Prozesse. Durch Umlagerung von Atomen und Molekülen entstanden neue chemische Substanzen.
Besonders der Kohlenstoff mit seiner Fähigkeit, lange, komplexe Moleküle zu bilden, ging zahllose Verbindungen mit anderen Elementen ein. Diese Kohlenstoffverbindungen wurden zu Bausteinen des Lebens.
Und ich darf dies alles analysieren und bewundern.
Keinen Augenblick lang komme ich auf den Gedanken, zu beeinflussen und zu steuern. Das würde mir als der absolute Frevel erscheinen. Darin darf ich meine Aufgabe nicht sehen, denn in meinem tiefsten Innern bleibt die Erkenntnis verankert, daß ich auf diesem Planeten zwar meine Heimat gefunden habe, aber daß ich trotz allem ein Gast bin. Weil ich vor der Entstehung des Lebens da war!
Meine pflanzlichen Fühler, auf besondere Weise geschützt, ohne daß ich mir über diesen besonderen Schutz Gedanken mache,
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