Die Terranauten 087 - Labyrinth des Schreckens
zurücklassen können, aber ein Gegner, den man kontrollieren und überwachen konnte, war nur noch halb so gefährlich.
»Ein Gewitterorkan«, stellte Suzanne Oh fest. »Das kann schlimm werden. Wir sollten uns beeilen.«
Nacht. Und drückende Schwüle. Und lästige, nachtaktive Insekten, die offenbar auch menschliches Blut nicht verschmähten. David hoffte nur, daß die fremden Bakterien, die mit den Stichen in ihr Blut drangen, keine Infektion verursachen konnten. Ihr Stoffwechselsystem unterschied sich sicherlich drastisch von dem der hier heimischen Tierwelt, doch ganz sicher sein konnte man nie.
Es war, als nähme das Rauschen des Stromes weiter zu. Eine zischende, mal auf- und mal abschwellende Stimme. Wasser schäumte und gurgelte, und die weißen Kronen der Wellen und Strudel schimmerten im Licht der Sterne, die nun aber auch im Süden zu verblassen begannen, zugedeckt von den finsteren Wolkenungetümen über ihnen. Wind kam auf und strich mit unsichtbaren Gliedern über die Bäume des Lichtwaldes, zerrte an Ästen und Zweigen, verwob sein Summen und Heulen mit dem Rauschen des Trübwasserflusses.
Gegen Mittemacht, als erste Blitze ihre filigranen Netzarme über den Himmel ausbreiteten, war das Floß fertig. Die Luft schien zum Schneiden dick. Und es war so schwül, daß sie in ihrem eigenen Schweiß gebadet waren.
»Wir sollten sofort aufbrechen«, sagte Suzanne Oh, und Aschan Herib nickte zustimmend. »Je eher wir den Fluß überquert haben, desto besser. Er schwillt immer noch an. Und wenn der Sturm erst richtig losbricht, werden wir es mit einer Menge Treibgut zu tun bekommen.«
Die beiden Grauen hatten sich bereits niedergelassen.
»Auf, ihr müden Krieger!« rief Herib und winkte mit dem Strahler. »Ihr wollt doch wohl jetzt nicht schlafen.«
Brummen und Knurren. Aber sie erhoben sich und traten auf die bedrohlich schwankende Oberfläche des Floßes. Das Heulen des Windes intensivierte sich. Das gurgelnde und schäumende Wasser zerrte an den zusammengebundenen Stämmen.
»Jetzt oder nie!« rief Aschan Herib, packte die Manövrierstange und stieß das schwankende Gefährt vom Ufer ab. Sofort wurde es von den Wellen erfaßt und davongerissen. Suzanne umklammerte das improvisierte Ruder. Es war jetzt fast so dunkel, daß man beinahe nicht mehr die Hand vor Augen erkennen konnte. Die Vegetationsbereiche an den Ufern waren wie zwei dunkel aufragende Berge, die den Fluß im Zaum hielten und ihm Richtung gaben. David sah einmal in die Richtung, in die das schäumende Wasser sie davonzerrte, dann wieder zu den Schatten der beiden Grauen. Wenn sie zu der Überzeugung gelangten, daß jetzt der geeignete Zeitpunkt war, das Blatt erneut zu wenden …
Doch sie regten sich nicht. Sie klammerten sich nur an den Haltepunkten des Floßes fest.
Direkt in Fahrtrichtung tauchte ein undeutlicher Schemen auf, der einen knappen Meter aus dem gurgelnden Wasser ragte. David kniff die Augen zusammen. Was auch immer es war, es kam sehr rasch näher. Und das Floß hielt genau darauf zu.
»Suzanne!« rief er, um das Heulen des Windes zu übertönen. »Ausweichen. Da ist irgendein Hindernis vor uns.«
Jetzt sah sie es auch, zwang das Ruder nach rechts, und Aschan versuchte, mit der Manövrierstange Grundberührung zu erlangen und die Kursänderung somit zu unterstützen.
Wie in Zeitlupe wandte sich das Floß nach links.
Zu spät.
»Festhalten!« rief David und klammerte sich an einen Haltepunkt.
Das dunkle Etwas war ein Felsblock. Als das Floß gegen das massive Hindernis prallte, glaubte David, eine Titanenfaust schließe sich um seinen Körper und zerre ihn davon. Die Stämme krachten und knirschten. Einige der Faserstränge, mit denen sie zusammengebunden waren, gaben mit einem feinen Knistern nach. Das Floß brach auseinander. Die Stämme knickten wie Streichhölzer in der Faust eines Riesen. David schluckte brackiges, fauliges Wasser, schnappte nach Luft. Überall Wasser. Eigroße Hagelkörner prasselten jetzt aus den dunklen Wolkenbergen, und der Sturm erhob seine Stimme. Blitze zuckten und tauchten sie in ein blendendes grellweißes Licht. Der Felsblock war längst hinter ihnen in der Gischt verschwunden, aber das Floß brach weiter auseinander. Weitere Faserstränge lösten sich. Wellenberge ergossen sich mit zornigem Fauchen über die sich festklammernden Menschen. Aschan Herib schrie etwas, aber David konnte ihn nicht verstehen. Der Hagel war wie ein Geschoßregen. David hielt sich mit einer Hand fest und
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