Die Terranauten 087 - Labyrinth des Schreckens
legte den freien Arm schützend über seinen Kopf. Das Floß krachte und knirschte. Daran, ihr auseinanderbrechendes Gefährt zum gegenüberliegenden Ufer zu steuern, war überhaupt nicht mehr zu denken.
Irgendwann ließ der Hagel nach. Ein ganzer Ozean schien sich daraufhin aus dem Himmel auf sie zu ergießen. Ein Vorhang aus strömendem Wasser, in dem eine Orientierung vollkommen aussichtslos war. Wie weit waren sie inzwischen abgetrieben worden?
Narda! rief David telepathisch und ignorierte den leichten Kopfschmerz.
Konnten sie noch rechtzeitig kommen?
Aus einem Reflex heraus band sich David einen der sich lösenden Faserstränge um den Leib und verband das andere Ende mit einem Stamm. »Suzanne!« rief er. »Aschan!« Aber das Rauschen und Heulen und Tosen übertönten seine kratzende Stimme.
Eine Ewigkeit später beruhigte sich das gischtende Wasser um sie herum. Vom breiten Floß waren nur noch einige wenige Stämme zurückgeblieben. David hatte sich halb auf die Überbleibsel hinaufgezogen und schlief den Schlaf der Erschöpfung. Er erwachte durch einen harten Ruck und schlug die Augen auf. Helligkeit. Und Hitze. Die Sonne stand hoch am Himmel. Er sah sich um. Das, was vom Floß übriggeblieben war, war ans Ufer geschwemmt worden. Eine Sandbank, umgeben von blauviolettem Gras und einigen Krüppelbäumen. Suzanne Oh und Aschan Herib lagen einige Meter von ihm entfernt. Von den beiden Grauen jedoch war weit und breit nichts zu sehen.
*
Janan war froh, daß ihn zumindest einer der Fremden verstand und in begrenztem Umfang mit ihm zu sprechen vermochte. Er hatte inzwischen die Spätjugendphase erreicht, und je eher sie Kadir ausschalteten, desto besser. Denn vielleicht war er in seinem achten Leben nicht mehr so stark wie jetzt. Vielleicht war er dann sogar instabil. Janan fürchtete sich vor dieser Vorstellung, auch wenn er der Überzeugung war, daß nur die Instabilen seines Volkes den Keim für sicheres Weiterleben in sich trugen. Denn nur die Instabilen waren dazu in der Lage, sich anzupassen, so, wie es die Schöpfer vom Himmel geraten hatten.
Die Hitze hatte zugenommen. Janan fächelte sich mit seiner langen Zunge Kühle zu. In seinem Körperinnern breitete sich ein dumpfes Gefühl aus. Zeichen seines Hungers. Er brauchte dringend eine Drihs -Mahlzeit.
»Hier müssen wir vorsichtig sein«, sagte er zu seinem Kontakt-Partner. Es war eigenartig. Janan hatte bisher nicht eine einzige Körperveränderung an den Fremden ausmachen können. »Vielleicht ist Kadir so schlau gewesen und hat die Kalksinger aktiviert. Ihm ist alles zuzutrauen.« Davon war Janan zumindest überzeugt. Nach dem Anschlag auf ihn ganz bestimmt.
»Was«, fragte sein Kontakt-Partner, »ist ein Kalksinger?«
Wie dumm sie doch waren! Und doch waren sie stark. Er übermittelte eine gedankliche Vorstellung: eine Verdickung an einem Tropfstein, die sich, kam ein unvorsichtiges Opfer in die Nähe, blitzartig ausbreiten und den Unvorsichtigen mit dem Verdauungstrakt umfassen konnten. »Die Träger«, sagte Janan klickend, »sind ihnen in gewisser Weise ähnlich!«
Verstehen. Ein Träger hatte Narda mit einem Hautlappen umschlossen.
Der Kavernenwald zog sich endlos dahin. Mal waren die Grotten groß und weit, erfüllt mit dem Knistern und Summen unsichtbarer Mikroorganismen, dann wieder eng und dunkel und stickig.
Nein, Kadir hatte die Kalksinger nicht aktiviert. Offenbar glaubte der Kontakter, ihn, Janan, endgültig ausgeschaltet zu haben. Wut entstand in ihm. Nun, er würde Kadir eines Besseren belehren. Ihn und die anderen. Vircho und Suven zum Beispiel.
Schließlich, gegen Mittag des vierten Tages, erreichten sie das Ende des Kavernenwaldes. Janan blieb stehen und deutete mit seinen Tastarmen hinaus in die Schlucht, die sich anschloß.
»Es ist das Sandtal«, sagte er. »Wir müssen vorsichtig sein. Im Boden sind Graber verborgen. Man kann es von oben nicht sehen. Sie sind Meister der Tarnung. Aber man kann sie spüren. Kommt.«
Und während sie weitermarschierten, unterhielten sich die Fremden mit ihren seltsamen Lauten. Janan hatte es längst aufgegeben, den Gemeinsamen Kontakt der Fremden verstehen zu wollen. Er verstand die Laute nicht. Und er verstand ihre Gedanken nicht. Nur die des einen Fremden, und selbst der mußte viel Kraft aufwenden, um ihn zu verstehen und sich ihm verständlich zu machen. Aber sie waren stark, überraschend stark.
Vorsichtig marschierten sie durch das Sandtal. Janan stellte fest, daß
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