Die Terranauten 095 - Treffpunkt Sternenstadt
Energie zu verstärken. Ich schätze, wir kriegen jetzt ernste Schwierigkeiten.« Lem Odebreit nickte. Blaß. Aber auch glücklich darüber, daß sein Vorbild Claude Farrell ihm eine so wichtige Aufgabe übertrug.
Drei fragil wirkende Geschöpfe kletterten durch die Öffnung in der Wand, orientierten sich kurz und schritten ihnen dann entgegen. Sie waren annähernd zwei Meter groß, und ihre Haut war volltransparent, so daß man die pulsierenden Blutbahnen und Eingeweide erkennen konnte. Farrell hatte den Eindruck, als genüge ein einziger, schwacher Hieb, um diese Geschöpfe außer Gefecht zu setzen.
Ge … fahr …
Sie waren nicht bewaffnet. Sie gaben nur dieses seltsame Geräusch von sich, das offenbar selbst die Transformer nicht zu übersetzen vermochten. Sie schritten näher. Langsam. Und sahen sie aus ihren großen, halbtransparenten Augen an.
Ge …fahr …
Jana stöhnte, entglitt dem Griff Ana Madashis und sank zu Boden.
Welche Gefahr? fragte Claude Farrell und gab seinen Kameraden das Zeichen, vor den Fragilen zurückzuweichen. Hörst du, Silent Chorp? Welche Gefahr?
»Die brechen doch in der Mitte auseinander, wenn man sie nur hart anfaßt«, knurrte Dime Mow angriffslustig.
Angila Fraim, die den Schlichtern am nächsten war, hielt plötzlich inne, als hätte sich ihr ein unsichtbares Hindernis in den Weg gestellt, das sie nicht durchdringen konnte. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich. Erst zeigte ihre Miene Überraschung, dann Verblüffung – und dann Angst.
Claude Farrell verspürte ein eigenartiges Ziehen irgendwo in seinem Hinterkopf. Und ganz plötzlich begriff er.
»Lem! Sofort PSI-Verstärkung!«
Angila öffnete den Mund zu einem qualerfüllten Schrei. Doch kein Laut kam über ihre Lippen. Langsam, wie in Zeitlupe, sank sie auf die Knie. Und sie veränderte sich. Sie alterte. Ungeheuer rasch. Binnen weniger Sekunden um Jahre und Jahrzehnte. Und alles vollzog sich in einer unheimlichen Stille. Silent Chorp krümmte sich zusammen und stöhnte. Er empfing Angilas Schmerzen am stärksten.
»Schnell!« rief Claude Farrell. »Yggdrasil, hilf!«
Er konzentrierte sich und versuchte, den psionischen Angriff der Schlichter auf die junge Terranautin abzuwehren. Lem Odebreit verstärkte seine Signale, so gut es ging. Und auch die anderen Treiber legten nun ihre aus der Überraschung geborene Lethargie ab und griffen ein in die lautlose Auseinandersetzung.
Es war vergeblich.
Angila Fraim starb.
Binnen einer halben Minute wurde sie zur Greisin, die keine Ähnlichkeit mehr mit der Treiberin hatte, die sie alle kannten. Die graue Haut spannte sich über den Wangenknochen, wurde gelb. Die Haare fielen aus. Sie starb. Aber der Veränderungsprozeß dauerte an. Das Fleisch löste sich auf. Zurück blieben nur die Kleidung und ein fahl schimmerndes Skelett. Ana Madashi schlug die Hände vors Gesicht. Aus den Augenwinkeln Silent Chorps rannen Tränen.
Solange der Veränderungsprozeß angedauert hatte, so lange hatten sich die drei Schlichter nicht bewegt. Nun aber, da er ein Ende gefunden hatte, schritten sie wieder auf die vermeintlichen Frevler zu.
»Wir haben keine Schuld auf uns geladen«, versuchte es Claude Farrell, einer Eingebung folgend. Er wußte nicht, ob der Transformer seine Worte übersetzte. Jedenfalls hielten die Schlichter nicht inne, sondern näherten sich ihnen weiter. Unaufhaltsam. Langsam und mit gleichmäßigen Schritten. Der ziehende Schmerz in Farrells Nacken intensivierte sich.
»Weg!« rief er, »Sofort auf die Beine und nichts wie weg!«
Tse Irlowna schrie auf.
»Ich … Ich kann mich nicht mehr bewegen!« Ihr Gesicht verzerrte sich.
Scanner Cloud und Morgenstern stürzten herbei, packten sie an den Armen und trugen sie davon. Die junge Zinti zitterte am ganzen Körper.
»Wir können ihnen nicht entkommen«, sagte Scanner Cloud kühl. Der Psyter, der nun ein Fastlenker war, wirkte so ruhig, als sei überhaupt nichts geschehen. »Wenn Morgenstern und ich uns nicht täuschen, dann können sie sich auch zeitlos transferieren und damit jeden Vorsprung von uns zunichte machen. Es gibt nur eine Möglichkeit, die Gefahr zu beseitigen.«
Übergangslos wandte er sich um und schritt zusammen mit Morgenstern den drei Schlichtern entgegen.
»Wahnsinn.« Farrell riß die Waffe aus dem Holster – merkwürdig, daß er sich erst jetzt an sie erinnerte –, legte an und feuerte. Eine Lanze aus verdichtetem Feuer leckte aus dem Lauf und hüllte die Schlichter in eine kochende Lohe.
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