Die Terranauten TB 06 - Monument der Titanen
Böenreiter hinaufleiteten. Im Innern der Kuppel herrschte halbdunkles Zwielicht, und Nayalas Augen brauchten eine Weile, um sich den geänderten Lichtverhältnissen anzupassen.
Der Philosoph wimmerte.
Nayala schüttelte ihn. »Beruhige dich endlich«, sagte sie leise. »Wir sind frei, Schüristi. Ich habe einen Malachitsplitter, ich kann den Transfer durch eine Transitschleife also steuern. Wir müssen das Tor nur finden.«
Sein Blick reichte traurig in den Kosmos, der sich in seinem Innern erstreckte.
»Du kennst dich hier oben besser aus«, fuhr Nayala eindringlich fort, während sie ihre Umgebung im Auge behielt. »Du bist mehrmals mit dem Verflucher unterwegs gewesen. Welchen Weg müssen wir nehmen?«
Er wimmerte weiter und schien sie nicht einmal zu hören. Nayala griff in eine Tasche ihres Schutzkilts und umfaßte den Malachitsplitter. Die Kraft des Gabensteins eröffnete ihr nur einen kleinen Teil ihres psionischen Potentials.
»Sei ganz ruhig«, murmelte sie. »Sei ganz ruhig, Philosoph. Wir werden es schaffen.«
Und eine andere Stimme in ihrem Innern flüsterte:
Du brauchst jemanden, den du lieben kannst, Nayala. Erinnerst du dich noch an die letzten Worte Shahraks? Es gibt keine andere Wahl für dich. Und du mußt dich rasch entscheiden, Nayala. Nimm doch den Schüristi. Sein Körper ist geschmeidig, seine Gedanken sind rein und auf der Suche nach Weisheit …
Nayala begann zu schwitzen, obwohl es in der Kuppel recht kühl war. Das leise Wimmern des Philosophen war verklungen.
»Ja«, sagte der Schüristi. »Ich habe die Transitschleife einmal gesehen. Ich weiß, wo sie sich befindet. Ich kenne den Weg.«
Er setzte sich in Bewegung. Nayala hielt sich an seiner Seite. Stimmen wehten ihnen entgegen, Worte in der allgemeinen Sprache, andere in Regionaldialekten. Ewige Flammen glühten an den Wänden, die geschmückt waren mit farbigen Mustern aus Blähwalschuppen. An niedrigen Tischen hockten Böenreiter mit ihren Intimfreunden, Spinnengeschöpfen, die sich an den fragilen Rücken der Geflügelten festgesaugt hatten. Sie nährten sich vom Blut der Böentänzer, und sie gaben dafür Schutz. Nayala kannte die beinah schon pathologische Furcht der Geflügelten vor körperlichen Übergriffen anderer Clanmitglieder, vor zufälligen Verletzungen und Anfällen von Orientierungslosigkeit. Die Intimfreunde waren stumme Wächter und Helfer, Aufpasser und Ratgeber.
Nayala und der Schüristi eilten an den Gestalten vorbei. Sein Kopf wandte sich in ihre Richtung.
»Sie spielen das Spiel der Konzentration und Erkenntnis«, murmelte der Philosoph und deutete kurz auf die Perlen, die jeder Böenreiter vor sich anhäufte. Sie bildeten Pyramiden und Oktaeder und schwebten ohne jeden sichtbaren Halt einiger Zentimeter über den Tischflächen. Die Muster, die von ihnen geformt wurden, waren überaus bizarr und so komplex, das Nayala keinen Zusammenhang erkennen konnte.
»Wenn sie Erfolg haben, vermögen sie damit die Richtungen von Böen und ihre Intensität für viele Hell- und Dunkelzeiten vorauszusehen.«
»Komm, weiter.«
Einige Intimfreunde regten sich unruhig. Trübe Augen wandten sich ihnen entgegen, streiften aber nicht das Netz der Konzentration ab. Niemand erkannte sie als das, was sie waren – als zwei Niedrigebener auf der Flucht, als zwei Rant.
Nayala folgte dem Schüristi durch den engen Ausgang auf der anderen Seite der Kuppelhalle. Direkt vor ihnen erstreckte sich ein Platz aus miteinander verklebten Blähwalschuppen. Unter der halbtransparenten und glatten Oberfläche zogen sich Traggerüste dahin, Hohlknochenverbände, die leise knirschten in der aromatischen Umarmung der Aufwinde. Sie eilten rasch weiter, dem gegenüberliegenden Ende des Platzes und den Luftstegen dort entgegen. Der Schüristi keuchte.
Dort, wo die Luftstege begannen, blieb er unschlüssig stehen. Nayala sah sich nervös um. Die Stadt erschien in diesen Bereichen leer, beinah verlassen. Aber sie spürte ganz deutlich, daß die Zeit drängte. Irgendwo regte sich etwas.
»Ich bin mir nicht sicher …« überlegte der Schüristi leise.
Nayala trat von einem Bein aufs andere. »Überlege, Philosoph, denk nach …!«
Es waren mehr als zwanzig Stege, und ein guter Teil davon führte steil in die Tiefe. Andere stiegen an und verschwanden irgendwo in dem Gespinst aus anderen Verbindungswegen, die von oben herabführten.
Schließlich betrat der Schüristi einen der dünneren Stege. Nayala schob ihn rasch weiter. »Schnell! Wir
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