Die Terranauten TB 07 - Der schwarze Herrscher
Baby an Nayalas Brust. Er streckte seine Gedankenarme aus und glitt in den noch rudimentären Geist des Neugeborenen hinein.
Das Kind hörte auf zu saugen. Seine winzigen Hände gruben sich in die Brust Nayalas, und die Frau gab einen leisen Schmerzensschrei von sich.
»Gib mir die Jadefigur!« grollte die Stimme Djunaths aus dem Mund von Tirions Sohn.
VII
Ich liebe die Einsamkeit und die Kälte und das Eis. Hier ist alles rein und überschaubar. In den Städten herrscht das Elend. Ich lausche dem Wind, der über die Gletscher weht, horche seinem Flüstern und Wispern und bereue nie. Einsamkeit ist Freiheit. Manchmal aber auch Melancholie.
Shirh, der Schneeläufer
Was sind tausend Jahre für einen Weltenbauer?
Der Falsche
Der Himmel hing einige hundert Meter über ihren Köpfen, und Permanente Nässe tropfte von ihm herunter. Er war grün, und manchmal bewegte sich etwas in ihm. Die Ruinen der alten Stadt duckten sich wie furchtsam an den Boden. Die Schritte Davids und Choras tönten hohl von den porösen Mauern wider. David warf immer wieder skeptische Blicke empor.
Chora nickte und lachte leise. »O ja, sie wird eines Tages einstürzen, und dann nimmt sich das Meer zurück, was ihm einst geraubt wurde. Es funktionieren nur noch wenige Servos in dieser Unterwasserstadt.« Sie runzelte kurz die Stirn. »Ich habe bisher noch keine Nullzone entdeckt, in der nicht überall Spuren des Zerfalls und des Niedergangs zu sehen wären. Vielleicht gehörten diese Bereiche irgendwann einmal ebenfalls zum Labyrinthenen Heim RadjanKhans und sind dann irgendwie davon abgekoppelt worden.«
»Ich würde es nicht sonderlich zu schätzen wissen, wenn die Kuppel ausgerechnet jetzt einstürzte«, sagte David und lächelte zaghaft. »Ich bin kein guter Schwimmer, weißt du.«
Sie lachte. »Ich auch nicht. Komm weiter.«
Leere Fensterhöhlen starrten sie an, als sie durch die Straßen der Ruinenstadt wanderten. Die Gebäude waren zwei bis drei Stockwerke hoch, und Türen konnte David nirgends sehen. Von der Kuppel tropfte Wasser herab – eine schmierige, beinahe ölige Flüssigkeit, die man eigentlich kaum als Wasser bezeichnen konnte –, und es bedeckte die Mauern mit einer Patina, die sich im Laufe vieler Jahrhunderte oder gar Jahrtausende langsam in das Material hineingefressen hatte.
Chora legte ihm die Hand auf den Arm und deutete voraus. »Wir sollten jetzt wieder etwas vorsichtiger werden«, sagte sie und senkte unwillkürlich ihre Stimme. »In den drei Heimfaktoren, die wir bisher durchquert haben, war alles recht harmlos. Hier aber sind die Übergänge von Nullzonen zum Labyrinthenen Heim fließend und manchmal nur schwer zu lokalisieren. Und denk daran: Wir wissen nicht, wo sich RadjanKhan derzeit aufhält. Es ist möglich, daß er uns irgendwo erwartet. Es dürfte ihm kaum entgangen sein, daß wir auf dem Weg zum Heimausgang sind.« Sie zögerte. »Siehst du dort diese Straßenbuckel?«
David kniff die Augen zusammen. »Ja.«
»Es sind Beobachter. Irgendein Mechanismus läßt sie aus den Straßen herauswachsen, ganz langsam. Sie sind unbeweglich, aber sie haben Augen, denen nichts entgeht. Ich weiß nicht, ob sie Beobachtungsmeldungen nur an einen längst nicht mehr funktionierenden Computer weiterleiten oder direkt an RadjanKhan, aber wir sollten diesen Bereich so schnell wie möglich hinter uns bringen. Und noch etwas: Hüte dich davor, die Beobachter zu berühren. Ich habe einmal gesehen, wie ein anderer Gefangener seiner Neugier nicht widerstehen konnte, und er hat es mit seinem Leben bezahlt.«
Sie schritten weiter und erreichten bald den ersten Beobachter. Es war ein konusförmiges Gebilde mit Dutzenden von roten Punkten. Chora zog David mit sich fort, und die Augenpunkte glitten auf der Oberflächenhaut des Beobachters entlang. David schauderte. Oben in der Kuppel knackte und knisterte es.
Auf dem Boden waren nun die ersten Kreidezeichen zu erkennen, mit denen Chora den ungefährlichen Weg markiert hatte. David hütete sich davor, andere Bereiche zu betreten.
Vor ihnen gähnte die dunkle Zugangsöffnung eines langgestreckten, hallenartigen Gebäudes. Es war das einzige, das so etwas wie einen Eingang aufwies. David sah Chora fragend an. Ihre Augen funkelten aufmerksam, und ihr silberseidenes Haar war wie ein flatterndes Banner.
Sie ist schön, dachte David, und wieder floß Wärme durch sein Innerstes.
»Der nächste Übergangspunkt befindet sich dort in dieser Halle.« Sie sah sich um. Es
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