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Die Terranauten TB 08 - Die graue Spur

Die Terranauten TB 08 - Die graue Spur

Titel: Die Terranauten TB 08 - Die graue Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Quint
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zerfiel.
    All das gehörte zur Routine einer interstellaren Reise.
    Die Treiber hatten sich um den Dorn mit der Mistel niedergelassen. Niemand von ihnen sagte etwas, aber ich wußte, daß sie sich unter der Anleitung des Logenmeisters zu einem psychischen Gruppenorganismus zusammenschlossen und ihre Gedanken auf die Mistel konzentrierten. Die Treiber bewegten mit ihren PSI-Kräften die gewaltige Masse des Raumschiffs, aber nur die Mistel ließ sie sicher ihren Weg durch den Weltraum II finden.
    Das Licht erlosch.
    Es wurde dunkel, und der Weltraum selbst schien durch den transparenten Protopdorn zu springen und uns in seine kalten Arme zu nehmen. Ich hörte ein Zischen von Mandorlas Platz, als ihr die im Sessel eingebaute Impfpistole das Medikament injizierte.
    Der goldene Halo um die Mistelschale und der fahle Sternenschein ließen die Treiber nur noch als Schatten sichtbar werden.
    Ich wartete.
    Wartete auf meine Injektion.
    Aber nichts geschah.
    Und dann, nur kurz, im Zwielicht kaum wahrnehmbar, sah ich, wie einer der Treiber den Kopf hob. Ich sah ein bleiches, schmales Gesicht mit kohlenschwarzen Augen und einem dünnen Mund, der sich zu der Andeutung eines zufriedenen Lächelns verzog, und ich begriff.
    Im gleichen Moment steuerte die Loge das Schiff in den Weltraum II.
     
    Der Mann hieß Quarran. Er haßte mich, und dieser Haß, der nach Befriedigung verlangte, hatte ihn dazu gebracht, sich freiwillig für die selbstmörderische Mission der SIMON BOLIVAR zu melden. Er hatte von dem Plan und meiner möglichen Teilnahme gehört und sofort gehandelt. Damals hatte noch nicht festgestanden, ob ich auf das Angebot eingehen würde oder ob die Mission in dieser Form überhaupt durchgeführt werden konnte. Aber allein die nebulöse Möglichkeit, mich an Bord der SIMON BOLIVAR zu treffen, hatte Quarran seinen Entschluß fassen lassen.
    Nur wenige Gefühle können einen Menschen zu einem derartigen Schritt treiben.
    Bei Cram war es die Hoffnungslosigkeit, mit der ihn sein Dasein erfüllte; bei Codette war es der Wunsch, vor dem sicheren Tod soviel wie möglich von den Wundern des Alls zu sehen und Ablenkung von ihrem eigenen Kummer zu finden; bei Quarran war es der Haß.
    Eine der Treiberinnen, die ich im Auftrag der Cosmoralität in eine Graue verwandelt hatte, war Quarrans Frau gewesen. Sie hatten keinen formellen Partnerschaftsvertrag geschlossen, aber sie war seine Frau und die einzige Frau, die er wollte.
    Wenn Treiber sich lieben, vereinigen sie sich nicht nur mit ihren Körpern, sondern auch mit ihren Seelen. Im Augenblick des Orgasmus, so heißt es, verschmelzen sie zu einer psychischen Einheit, die sowohl das Bewußte als auch das Unbewußte einschließt, und von da an trägt jeder einen Teil des anderen in seinem Herzen.
    Als ich jene Frau operierte und in eine Graue Treiberin verwandelte, hatte ich damit auch Quarran operiert, und sein Schmerz wurde zu Haß, und sein Haß hatte nur das Ziel, mir diesen Schmerz heimzuzahlen.
    Ich kam an Bord der SIMON BOLIVAR, und Quarran, auf diesen Augenblick vorbereitet, war es irgendwie gelungen, die Injektionsautomatik des Sessels zu manipulieren.
    Ich begab mich ohne den Schutz des fotosensitiven Barbiturats in die Schrecken des Weltraum II, und der Weltraum II bemerkte es und schickte sich an, mich zu holen. Das fremde Kontinuum diffundierte direkt durch die Wände, durch das Protop der Kuppel über der Logenplattform, durch den Boden, wogte von allen Seiten heran. Er gab sich freundlich wie die Männer mit den toten Augen, die sich in unbeobachteten Momenten mit einer Tüte süßer Bonbons in der Hand kleinen Jungen nähern und sie zu einsamen Orten locken, wo niemand ihre Schreie hört. Er versprach schreckliche Dinge, aber auf eine Art, die Begehrlichkeit entfachte, denn seine Schrecken waren nicht mit dem Tod verbunden; ein trügerischer Trost für uns Menschen, die gelernt haben, den Tod mehr als alles andere zu fürchten, und die nicht ahnen, wie sehr sie sich irren. Und gleichzeitig war der Weltraum II lichtlos, seelenlos, entstofflicht. Die Schläue, mit der er seine Opfer umgarnte; die namenlosen Verlockungen, die vorgaukelten, alle gebrochenen Versprechungen des Lebens einlösen zu können; die heißen Wünsche und unausgesprochenen Sehnsüchte aus vergangenen, längst begrabenen Jahren – all seine Betörungen und Drohungen entnahm der Weltraum II seinen Opfern selbst, denn er war zu fremd und zu unverständlich, um mit eigenen Mitteln seine Ziele zu

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