Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Terranauten TB 08 - Die graue Spur

Die Terranauten TB 08 - Die graue Spur

Titel: Die Terranauten TB 08 - Die graue Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Quint
Vom Netzwerk:
erreichen.
    Mit schreckgeweiteten, hingerissenen Augen verfolgte ich, wie er zwischen mir und der Treiber-Loge einen Vorhang legte, wie er Mandorla meinen Blicken verhüllte und mich vom Schiff abschnitt, so daß ich allein in einem endlosen Meer aus Grau trieb.
    Und dann schälte sich aus dem Grau ein langgestrecktes Band aus weißem Licht und endete direkt vor meinen Füßen. Ich wußte, ich brauchte es nur zu betreten, und es würde mich forttragen, dorthin, wo mich niemand mehr erreichen konnte, wo ich vielleicht schon immer hatte hingehen wollen, ohne bisher den Mut gefunden zu haben.
    Sehr freundlich, dachte ich, mir diesen Schritt so leicht zu machen.
    Ich äugte in die Ferne und versuchte, ein Ende der Lichtstraße zu erkennen, aber sie besaß kein Ende, sie führte zu keinem Ziel. Jetzt, wo der Weltraum II mich vom Schiff, von der Loge, von Mandorla getrennt und seine Absicht schon halb erreicht hatte, machte er sich nicht mehr die Mühe der Täuschung. Mit kalter Ehrlichkeit zeigte er, was er zu bieten hatte, illusionslos wie jene Huren, die in den Vergnügungsvierteln der großen Städte mancher Welten in Schaufenstern sitzen und mit ihren Körpern sagen: Das kannst du haben, wenn du zahlst.
    Wenn ein Weg unendlich lang ist, so bedeutet dies, daß er nichts ausläßt, alles tangiert, in die dunkelsten Tiefen und lichtesten Höhen führt. Aber in einem endlichen materiellen Universum, das seine räumlichen und zeitlichen Grenzen weit hinausgeschoben hat, ohne sich jedoch völlig von ihnen zu befreien, kann es keine Unendlichkeit geben. Unendlichkeit und Ewigkeit finden sich nur im immateriellen Universum der menschlichen Seele.
    Das war es, was mir der Weltraum II anbot – Zugang zu allen Schichten meines Selbst, zu den schwindelerregenden Abgründen, die unter der dünnen Oberfläche des Bewußtseins liegen.
    Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter, warm und fest, und als ich den Kopf drehte, blickte ich in mein eigenes Gesicht. Es war mein Gesicht, und gleichzeitig unterschied es sich in gewissen Nuancen. Es war jünger, aber das war es nicht, was den Unterschied ausmachte. Vor allem war es härter; eine eigentümliche Starre zeichnete die Gesichtszüge aus und gestattete dem Mienenspiel nur eine geringe Anzahl Variationen. Und hinter dieser Härte sah ich Trauer hervorblitzen, einen versteckten Kummer, dessen Ursprünge mir noch fremder erschienen als der Weltraum II.
    Der Mann, der hinter mir stand, war Horaz Gallygool.
    Jenes Ich, das ich mir hatte fortoperieren lassen, ohne es ganz zu verlieren, und das bei der Begegnung mit dem Treiber Claude Farrell aus den Schatten der Zeit zu mir heraufgestiegen war. Doch die Jahre auf Mirrson, die Jahre als Lence Zatyr, hatten mich verändert, zu einem anderen Menschen gemacht, der nicht mehr sehr viel mit diesem Horaz Gallygool zu tun hatte.
    Es ist möglich, daß die Terranauten dies gewußt haben.
    Es ist möglich, daß sie kein Interesse daran haben, ihre Feinde von gestern zu bestrafen, sondern daß es ihnen darum geht, sie zu ihren Freunden von morgen zu machen.
    Wenn dem so ist, dann muß ihre Sanftmut und ihre menschliche Größe die Folge ihrer telepathischen Fähigkeiten sein. Wer in die Gedanken anderer Menschen schauen kann und selbst die verborgensten Dinge sieht, der richtet weniger schnell und weniger selbstgerecht als wir Normalen.
    »Geh nicht«, sagte Horaz Gallygool zu mir. »Wenn du gehst, gibt es kein Zurück. Du verlierst das Schiff, deine Zukunft, dich selbst. Und du bist eben erst dabei, dich zu finden.«
    Ich starrte die Lichtstraße an, die Unendlichkeit, die mir so viel bot, und ich spürte den Sog, der von ihr ausging. Ich spürte, wie Wind aufkam, lautloser Wind, kalter Wind aus dem Nichts, und mein Körper bot ihm keinen Widerstand. Er pfiff durch meine Haut, mein Fleisch, meine Knochen. Der Weltraum II drängte. Er hatte schon zuviel investiert, um jetzt noch aufzugeben, und er würde nicht dulden, daß sein Opfer ihm entkam.
    »Überlaß das mir«, erklärte Horaz Gallygool. »Ich habe hier nichts mehr zu suchen. Ich gehöre nicht mehr hierher.«
    Er sprach bestimmt und er hatte recht. Er drängte sich an mir vorbei und betrat das leuchtende Band und ging davon, weiter und weiter, und mit jedem Schritt wurde er kleiner, das Grau wurde intensiver, bis es ihn endgültig in sich aufnahm.
    Es erleichterte mich, ihn gehen zu sehen, auch wenn ich an dem vagen Gefühl eines Verlustes litt. Der Weltraum II fraß ihn auf und gab

Weitere Kostenlose Bücher