Die Terranauten TB 08 - Die graue Spur
Niemand von uns sagte ein Wort, nicht einmal ein Fluch klang auf. Oder wenn doch, dann wurde er verschluckt von dem Dröhnen, Knirschen und Rumpeln der Schiffszelle, wenn der PSI-verstärkte Schutzschirm die kinetische Energie der einschlagenden Laserstrahlen und der Explosionen der Nuklearraketen nicht völlig absorbierte.
Ich weiß nicht, ob einer von uns während der Flucht an Codette dachte.
Was mich betrifft, so dachte ich erst später wieder an sie; nachdem wir die Mannschleuse erreicht und uns in rasender Eile mit Flugaggregaten, Sauerstoffpatronen und Notrationen ausgerüstet hatten. In der Schleusenkammer, deren Boden auf und ab tanzte.
Die Gesichter der Treiber waren verzerrt.
Vielleicht standen sie mit Codette in telepathischer Verbindung. Vielleicht fühlten sie, wie Codette mehr und mehr verbrannte, ihre Lebenskraft dem Weltraum II verkaufte, um mit der eingetauschten PSI-Energie den Schutzschirm der SIMON BOLIVAR zu stabilisieren.
»Die Schottautomatik funktioniert nicht«, gellte Jhimers Stimme in meinem Ohrempfänger auf. Er gestikulierte. »Energiemangel. Ich …«
Cram schob sich an ihm vorbei und packte das stählerne Handrad, mit dem man das Schott auf manuelle Weise öffnen konnte. Wortlos begann er es zu drehen. Wir anderen drückten uns an die Wände; die Pumpen, die die Atmosphäre in der Schleusenkammer absaugten, funktionierten ebenfalls nicht, und ich hoffte, daß die Magnetsohlen unserer Raumanzüge uns genug Halt verliehen, um nicht von der explosiv entweichenden Luft in den Raum hinausgeschleudert zu werden.
Die Außenmikrofone meines Anzugs übertrugen ein infernalisches Pfeifen, als das Schott einen Spalt weit aufklaffte und die Atmosphäre nach draußen schoß, um im Vakuum sofort zu Gasschnee zu gefrieren. Cram kurbelte weiter, und bei der nächsten Drehung schien das Schott einen Satz zu machen, glitt vollends in die Wand, und die verbliebene Atmosphäre verflüchtigte sich mit der Gewalt einer Explosion im Weltraum.
Unsere Magnetsohlen waren nicht stark genug.
Haltlos wirbelten wir davon.
In das All, das von flackernden Explosionen in unwirkliche Helligkeit getaucht wurde.
Das Prallfeld war eine dunkelrot glühende Kugelsphäre, die sich unter jedem Laserstrahl verformte. Hier und dort verblaßte der rote Glanz. Flammenzungen leckten durch die Strukturlücken und tasteten nach dem Schiff. Häßliche, schwarze Schmorspuren zogen sich über das Weiß des Protopdorns.
Ich drehte mich um meine eigene Achse und näherte mich weiter der blutroten Innenseite des überlasteten Schutzschirms, hinter dem ich kurz einen Blick auf eine ungeheure, weiß, grün und schwarz gefleckte Masse erhielt – Ardas Welt. Mit einem Schubstoß verringerte ich meine Rotationsgeschwindigkeit. Die SIMON BOLIVAR schob sich wieder in mein Blickfeld. Das trüb erleuchtete Viereck der Mannschleuse im blitzumspielten Grau der Bugkugel. Ein Schatten, der zum Sprung aus der Schleuse ansetzte – Cram. Und dann, hell wie eine Sonne, ein Laserstrahl. Er durchschlug das Prallfeld, zog eine glühende Spur über die Schiffszelle und verbrannte Logenmeister Cram binnen eines Sekundenbruchteils zu Asche. Und als hätte der Tod des Logenmeisters für die SIMON BOLIVAR wie ein Signal gewirkt, gab sie ihre verzweifelte Gegenwehr auf.
Schwer wie ein Stein fiel sie aus dem Orbit dem gefleckten Planeten entgegen, in Feuer gebadet, von Glut zerfressen, und wir stürzten mit.
Während wir stürzten, ahnten wir noch nichts von den Schlachtfeldern und den fliegenden Inseln in umwölkter Höhe, nichts von den Prä-Diirn, denen die Evolution einen grausigen Streich spielte, und nichts von den Semi-Diirn, die in ihrem Kokon aus Eis auf den Weltraum vorbereitet wurden.
Wir fielen und versuchten, uns aus dem Sog des brennenden, verglühenden Schiffes zu befreien, verfolgt von den Starcruisern, die wie schlaue Pistolenkugeln hin und her huschten und ihre Opfer suchten. Jhimer war der einzige, den sie fanden. Er ritt als erster auf dem unsichtbaren Netzwerk des planetaren Elektromagnetfelds davon, umhüllt von den beiden gegensätzlich rotierenden Ringen aus ionisierter Luft, dem sichtbaren Hinweis darauf, daß er sein MHD-Flugaggregat bis an die Grenze der Leistungsfähigkeit belastete. Jhimer hatte als erster begriffen, daß wir verloren waren, wenn der Sog des abstürzenden Wracks uns weiter gefangenhielt und wir die dichteren Atmosphäreschichten erreichten. Von Geburt an war Jhimer darauf trainiert worden. Gefahren
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