Die Terranauten TB 10 - Der Sternenfänger
Schutzkutten, die aussahen wie Kokons aus Seide und Kunststoff. Ihre Triarme malten immer wieder sonderbare Zeichen in die Luft und rückten Falten der Tuniken zurecht. Hinter den Kopfschleiern waren die Gesichter nur undeutlich zu erkennen. Die pergamentartige und sehr dicke Haut mochte einen guten Schutz gegenüber dem schmirgelnden Sand ihrer Heimatwelten darstellen. Die Henschi stammten von trockenen Wüstenplaneten, auf denen es praktisch kein Oberflächenwasser gab. Sie hatten sich gut angepaßt, und die Schutzkutten bereiteten den größten Teil der auf unterschiedliche Weise ausgeschiedenen Körperflüssigkeit wieder auf. Einige von ihnen führten kleine Hybriden mit sich – Kunstgeschöpfe, die sie in ihren biochemischen Laboratorien und Nährbottichen entwickelt hatten. Die Henschi waren die Bioingenieure der Sonnensphäre, und wenn es stimmte, was Alrunh gehört hatte, waren sie den Sonnenarchitekten sogar dabei behilflich gewesen, die Technik der Übertragung einer Identitätsmatrix zu entwickeln.
In dem Cangryd regte sich wieder Haß, und er gab sich alle Mühe, diese Gefühle zu unterdrücken. Er hatte bereits den größten Teil seines Weges zurückgelegt. Er mußte nur noch an Bord eines Sternenschleppers gelangen. Er durfte auf keinen Fall das Risiko eingehen, jetzt noch die Aufmerksamkeit der Telemoduln zu erwecken.
Alrunh richtete seinen grauen Haarpelz auf, aber auch auf diese Weise vermochte er sich nur ein wenig Kühlung zu verschaffen. Er beobachtete die sich vor ihm lichtenden Reihen der Passagiere. Nacheinander verschwanden Männer, Frauen und Zwitter in den Tunneln, die aus der Pyramide hinausführten. Er legte seine Dokumente einem elektronischen Controler vor, der sie akzeptierte und die Ergbarriere öffnete. Alrunh trat über die rote Warnmarkierung auf dem Boden hinweg und schritt in den halbdunklen Korridor hinein. Auf seinem Rücken wuchsen zwei Gasknollen, und er hoffte, daß kein Henschi oder Paray oder Garavane das Volk der Cangryd so gut kannte, um seine steigende Nervosität zu bemerken.
»Macht Platz, macht Platz!« ertönte es hinter ihm.
Als sich Alrunh umdrehte, fiel der Blick seiner großen Augen auf die von energetischen Panzern umhüllten Gestalten mehrerer Luben. In ihren klobigen Händen hielten sie die Griffe von elektrischen Geißeln, und wenn einige Passagiere der dröhnenden und hallenden Aufforderung nicht sofort nachkamen, holten sie damit aus, und dann ertönten schrille Schmerzensschreie. Alrunh zog sich rasch an die Gangwand zurück. In den Wänden über ihm zeigten sich die dunklen Öffnungen von Projektoren und Beobachtungsaugen.
Du darfst keine Fehler machen, sagte er zu sich und hütete sich davor, hier die psionischen Sinne zu offen. Es steht zuviel auf dem Spiel.
Die Luben erzwangen eine Schneise in den dichten Strom der Passagiere, und sie geleiteten ein bizarr aussehendes Stützgerüst mit Dutzenden von summenden Servomotoren und hin und her zuckenden Greifarmen. Innerhalb des Gestells hockte die deforme und monströse Gestalt eines Sonnenarchitekten. Der Körper war so zart und schmächtig und fragil, daß Alrunh den Eindruck hatte, er könne bei der ersten Belastung einfach auseinanderbrechen. Unter der transparenten Haut pulsierte rotschwarzes Blut in den Adern, und die Darmschlingen bewegten sich wie Hunderte von kleinen Schlangen. Alrunhs empfindliche Riechknospen registrierten den beißenden Gestank des körperlichen Zerfalls, der von dem Architekten ausging. Offenbar war er auf dem Weg zu einem Identifikator, um durch eine Übertragung der mentalen Matrix sein erbärmliches Leben zu verlängern.
Als die Luben das Stützgerüst an dem Cangryd vorbeidirigierten, quoll ein weiteres Mal der Haß in Alrunh empor. Er starrte auf den Sonnenarchitekten und sah dabei den Sternenfänger vor sich. Wie viele. Kulturen und Zivilisationen hatte dieses Volk in den Untergang gestürzt? Wie viele Rassen waren von ihm einfach ausgelöscht worden, da sie nach der Einschätzung des Sternenfängers keinen Nutzen hatten innerhalb der Sonnensphäre? Vor Alrunhs innerem Auge leuchteten Bilder des Elends auf, dem er auf vielen Planeten im Inneren der Sphäre begegnet war. Er sah die leeren Äste einstmals mächtiger Urbäume. Er lauschte ihren verklingenden Stimmen, die wehmütig von einer anderen Welt erzählten. Er erlebte noch einmal das Unheil, das über seine eigene Heimatwelt gekommen war, nachdem sie von den Erkundungsschiffen der Sonnenarchitekten entdeckt
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