Die Terranauten TB 10 - Der Sternenfänger
länger. Ich nehme dich in mich auf, und anschließend bauen wir gemeinsam die Dritte Welt, mit der Macht des Weißen Sterns.«
Nein! rief David. Yggdrasil, kannst du mich hören?
Aber der Urbaum der Erde war längst tot, eingegangen während des ersten Entropiebombardements.
David versuchte, sich seinem Ebenbild zu widersetzen, aber seine Kraft schmolz dahin wie Schnee in der Sonne. Ein seltsames Prickeln erfaßte ihn, und als er auf seine Hände starrte, sah er, wie sie sich langsam auflösten. Die Absorption durch das andere Spektrum hatte begonnen.
David schrie, aber niemand hörte seine Rufe. Irgendwann verschwamm das Bild vor seinen Augen, und er ließ sich in die Nacht fallen, die am Grunde seines Ichs wartete, die ihn willkommen hieß mit ausgebreiteten und finsteren und kalten Armen.
Kapitel 9
Im solaren Heim
Das solare Heim des Sternenfängers setzte sich aus Dutzenden von Röhren, Zylindern, pyramidenförmigen Fortsätzen, Beobachtungsoktaedern und zentralen Kuben zusammen. Es war eine bizarre Konstruktion, über deren metallenen und kristallenen Haut sich eine schützende Ergblase spannte. Die Energie, die zur Aufrechterhaltung dieses Abweisfeldes benötigt wurde, entnahmen spezielle Abzapfer der Sonne, in deren Chromosphäre die Station schwebte, umschmiegt von riesenharten Protuberanzen und gebadet in intensiven Strahlungsschauern. Das Sonnenboot des Sternenfängers schob sich durch einen leuchtenden Strukturriß in der Ergblase und tauchte in einen kleinen Hangar. Das massive Außenschott schloß sich, und Chagar stieg aus dem Boot aus und machte sich unverzüglich auf den Weg zum Identifikator. Noch während des Fluges hatte er seine Möglichkeiten realistisch eingeschätzt und auf der Grundlage von Verhaltensanalysen und individuellen Wahrscheinlichkeitsmosaiken einen bestimmten Plan entwickelt, der das Risiko namens Tramur ein für allemal ausschalten wurde. Er durfte sich von dem Vorsitzenden des Architektenrates nicht länger behindern lassen. Mit den fünfzehntausend Rekrutierten konnte die Vollendung der Sonnensphäre erheblich beschleunigt werden, und der Sternenfänger hatte nicht mehr die Absicht, weitere Rücksichten auf die Angehörigen des Volkes zu nehmen, dem er selbst entstammte. Die Zeit der Zurückhaltung und des vorsichtigen Taktierens gehörte nunmehr der Vergangenheit an.
Der funktionellere Teil des solaren Heims war schlicht und schmucklos eingerichtet, ganz im Gegensatz zu dem Bereich, in dem er wohnte und ruhte und in dem sich auch seine persönlichen Helfer und Bediensteten aller Art aufhielten. Es bestand nicht die Gefahr, daß seine Begleiter an Bord der Sternenstation das Weite suchten. Für ein Spektrum war es leicht, in fremden Gedanken Liebe, Harmonie und unbedingte Treue zu erzeugen. Und außerdem gab es noch die Endlosschleifen im Gefüge des Heims – Gänge und Korridore, die durch Zonen genau kontrollierter Raumkrümmung führten und darum in sich selbst endeten.
Der Identifikator war ein kristallener Turm, der sich in einem kleinen und unscheinbaren Raum in den unteren Bereichen des solaren Heims erhob. Im Innern dieses Turms waren komplexe Geräte und Servomechanismen installiert, und einige der Kontrollapparaturen verfügten über Zentralrechner, deren CPUs organischer Natur waren und aus den Laboratorien der Henschi stammten. Chagar entkleidete sich rasch und betrat den Identifikator. Er berührte mehrere Sensorpunkte, und seine mentalen Augen suchten nach elektronischen Infektionen in den Leitungsbahnen und Controlern. Er brauchte nicht lange, um festzustellen, daß das Gerät völlig in Ordnung war. Daraufhin bezog er Aufstellung in dem markierten Kreis. Strahlenarme wuchsen aus den Wänden des kristallenen Turms. Sie fraßen sich schmerzfrei in seinen Körper und tasteten jede einzelne Zelle ab. Chromosomenmuster wurden ebenso gespeichert wie der molekulare Aufbau der DNS-Gefüge, die Struktur der Hormone und chemischen Steuerungsorgane. Ein haubenähnliches Instrument senkte sich auf seinen Schädel herab und tastete mit zerebralen Sonden die Hirnströme ab. Erinnerungen wurden abgesaugt und in speziell dafür vorbereiteten Moduln gespeichert. Gedanken, Wünsche, Hoffnungen, Absichten, Empfindungen aller Art – all das, was sein Ego ausmachte, was ihn von anderen Sonnenarchitekten unterschied und zu Chagar, dem Sternenfänger machte … all das wurde kopiert, von den Systemen des Identifikators genauestens überprüft und dann Bit für Bit in einen
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