Die Terranauten TB 10 - Der Sternenfänger
zweite Bettgestell stülpte, sahen ihn die weit aufgerissenen Augen Myriams erschrocken an. Kleine Düsen fauchten und leiteten Giftgas unter die milchige Glocke. David holte mit einem mentalen Hammer aus und hieb damit auf die Kontrollen der Liege ein. Funken stoben. Elektrische Blitze entluden sich knisternd. Es roch plötzlich nach Ozon und verbrannten Isolierungen.
Eine Lanze aus verdichteter Energie stach dicht über Davids Kopf hinweg. Er wirbelte um die eigene Achse und ließ sich einfach zu Boden fallen, als er sah, wie der Dreibeinige erneut auf ihn zielte. Den Hauch eines Augenblicks später verlor die Gestalt in der seidenen Schutzkutte den Boden unter den Füßen, prallte gegen die Wand und rutschte daran entlang zu Boden.
»Komm, Myriam.« Er half ihr von der Liege, und gemeinsam wankten sie auf den Ausgang zu. »Das kleine Raumschiff, erinnerst du dich? Damit können wir verschwinden …«
Myriams Gesicht war aschfahl, als sie die Verhörkammer des Pavillons verließen.
Kapitel 11
Noch einmal Überraschendes
Das Melodienzimmer war ein Auswuchs des solaren Heims des Sternenfängers – eine Pustel, die an den metallenen Flanken der Station klebte. Chagar driftete in einem Konglomerat verschiedener energetischer Polster umher, und dünne Laserfäden verbanden ihn mit den im Boden der Kammer installierten Gerätschaften. Er blickte direkt auf die Oberfläche eines Sterns der riesigen Sonnensphäre. Er beobachtete, wie gewaltige Protuberanzen zu ihm emporloderten und von den starken Abweisfeldern der Stellarbasis abgelenkt wurden. Das kochende Plasma der Chromosphäre hüllte das solare Heim wie in einen dichten Mantel ein.
Der Sternenfänger lauschte dem Gesang der Sonnen. Viele Architekten behaupteten, es gäbe diese Melodie überhaupt nicht, aber das waren diejenigen, die zu viele Identitätsübeltragungen hinter sich hatten und bereits durch die Degeneration irreparabel geschädigt waren. Chagar hatte für die Betreffenden nichts als Verachtung übrig. Sie hatten das vergessen, was ein einstmals in gewaltigen Meeren lebendes Volk zu stellaren Ingenieuren gemacht hatte. Sie hatten verlernt, den Stimmen der Strahlungsstürme zuzuhören, zu versuchen, die Botschaften zu verstehen, die sie vermittelten. Sie achteten nicht mehr auf die fleckigen Augen der Granulen. Sie träumten statt dessen von der energetischen Unsterblichkeit, die Chagar ihnen versprochen hatte. Der Sternenfänger lachte leise in sich hinein und verstärkte die Verbindung mit den Systemen. Seine Identitätsmatrix glitt entlang an den Strahlungsbündeln, die die energetischen Haushalte der eingefangenen Sonnen miteinander synchronisierten und breite Straßen zu den Kollektoren im Zentrum der Sphäre darstellten. Sein mentaler Blick folgte den großen Schiffen der Garavanen. Er lauschte den Echos der entropiebeschleunigenden Kraft, die die Frachter und Transporter bei ihren Transits und Kontratransits freisetzten und die spezielle Sammler aufgesogen und ebenfalls an die Kollektoren weiterleiteten. Dort wurden die entropischen Wirbelzonen für den Augenblick der Initialzündung gespeichert. Er verfolgte für eine Weile den Flug Joias, die mit einem festen Auftrag unterwegs war und das Problem Tramur ein für allemal für ihn lösen würde. Er segelte als unsichtbare Wolke über Hunderte von Welten hinweg und beobachtete dabei die Arbeiter, die für die Sonnenarchitekten tätig waren, die Rohstoffe suchten und abbauten, die spezielle Geräte oder Systemteile herstellten, die teilweise einfach nur Vergnügen schenkten, die lachten und weinten, sehr oft weinten, die fluchten und verfluchten, die zornig Arme und Pseudopodien und Fühler in den Himmel streckten und göttliche Geister um ihren imaginären Beistand anflehten. Das war der genetische Pool, aus dem er schöpfen und mit dem er erschaffen konnte – nach dem Untergang der Zweiten Welt, nach dem Ende selbst der diffusesten Erinnerung an die Uralten. Die Henschi würden ihm dabei helfen, seine Vorstellungen in die Tat umzusetzen. Die Garavanen würden weiterhin ihre Raumschiffe bauen. Und die Luben … sie wachten und beschützten und verteidigten. Chagars mentaler Blick richtete sich auch auf die Wolke, auf die Myriaden Asteroiden, die in einem Raumkubus von mehr als drei Lichtjahren Durchmesser schwebten und das Exil der Emigranten darstellten. Er stieß auf psionische Barrieren, die ihn in die Irre führten und Spuren verwischen sollten. Einmal hatte er sogar versucht, das
Weitere Kostenlose Bücher