Die Terranauten TB 11 - Spektrum-Jagd
langsamer Kernbrand, der schließlich den ganzen Planeten erfassen und ihn in eine Wolke atomarer Asche verwandeln würde. Es mochte noch einige Wochen dauern – möglicherweise aber auch nur wenige Tage.
Als wir schließlich nach einigen Stunden Fahrt die Erntebasis am Rande des zugefrorenen Ozeans erreichten, empfing uns Stille. Der Emigrantenstützpunkt lag in einem kleinen Tal, und die Schneetarnungen verhinderten, daß er aus der Luft entdeckt werden konnte. Die elektronischen Augen des Angreifers jedoch hatten sich nicht täuschen lassen. »Intelligente« Bomben waren herabgeregnet und hatten fast alle Gebäude zerstört. Auf dem kleinen Landefeld lagen die Trümmer zweier Atmosphärenspringer.
»Umsonst«, sagte Altac leise und preßte die zierliche Gestalt Schiras an sich. Er strich sich einige Strähnen des rotbraunen Haares aus der Stirn. »Hier finden wir keine Fähre, mit der wir Fresco verlassen können.«
»Der Zugang zu den subplanetaren Anlagen.« Raols Stimme klang schrill. »Bestimmt haben sich die Leute hier dorthin gerettet. Und in den unterirdischen Hangars befinden sich gewiß noch einige Fahrzeuge, mit denen wir uns in Sicherheit bringen können.«
Der Bombenangriff mußte ungefähr zur gleichen Zeit erfolgt sein wie der Überfall auf das Kongreßzentrum. Die Trümmer-Stücke hatten sich längst abgekühlt, und die Leichen derjenigen, die keine Gelegenheit mehr gehabt hatten, sich zur Wehr zu setzen, waren steinhart gefroren. David hielt sich ein wenig abseits und legte den Kopf auf die Seite. Offenbar vernahm er mit seinen psionischen Sinnen etwas, das ich nicht wahrnehmen konnte. Damiro entdeckte kurz darauf den Zugang, den Raol angesprochen hatte. Wir traten darauf zu. Die Metallplatte hatte sich aufgrund der bei den Explosionen freigewordenen Hitze verzogen, und die Sensoren reagierten nicht.
»Die Energieversorgung ist unterbrochen«, sagte David. »In die subplanetaren Anlagen kommen wir nicht hinein.« Er schüttelte wie verwirrt den Kopf und blickte in Richtung Talausgang. »Ich spüre etwas, aber …«
Mir ging ein Licht auf. »Bei Yggdrasil, natürlich – der Eremit.« Ich ergriff seine Hand, und Seite an Seite segelten wir wieder los. Die kläglichen Überreste der Basis blieben rasch hinter uns zurück. Die anderen folgten uns. Wenn ich mich in unmittelbarer Nähe dieses Mannes aufhielt, verspürte ich immer wieder ein sonderbares Prickeln, das mich durchlief. Zuerst hatte ich das für eine Auswirkung des Konnexkristalls gehalten. Jetzt aber wußte ich, daß die Ursache dafür eine andere sein mußte. David gab mir etwas, das ich schon seit langer Zeit – unbewußt – suchte. Nein, kein Gefühl der Geborgenheit, nicht die Art von innerer Ruhe, die zwischen den mentalen Zwillingen herrschte. Es war etwas anderes: Ich hatte den Eindruck, David schon seit Jahren zu kennen, genau zu wissen, welche Gedanken sich hinter seiner Stirn formten. Er berührte etwas in mir, das sich nach Berührung sehnte.
»Der Eremit?« Sein Atem war eine weiße Fahne, die ihm von den Lippen wehte.
»So nennen wir ihn. Er lebte schon auf Fresco, noch bevor die Emigration diesen Planeten zu ihrem Hauptstützpunkt machte. Er hielt sich immer abseits von uns, und manchmal ging er uns auch direkt aus dem Weg. Unsere Ernter kennen ihn recht gut, denn von ihm erhalten wir die Misteln, die wir brauchen, um mit unseren Schiffen die Schale verlassen zu können.«
Nach knapp zwei Kilometern strebten die hohen Talwände aufeinander zu, und angesichts der eisverkrusteten Felsbrocken, die wie narbige Leiber aus dem Schnee wuchsen, konnten wir die Segler nicht länger benutzen. Ich half David, die Riemen und Metallgerüste abzulegen, und anschließend stiegen wir die Stufen einer ins Eis gehauenen Treppe empor. Der Wind lebte inzwischen wieder auf und flüsterte mit seiner kalten Stimme an den Talwänden entlang. Weiter oben, auf einem kleinen Plateau, erhob sich eine aus einzelnen Schneequadern erbaute Hütte.
»Das ist er«, sagte ich und deutete auf die hohe Eiswand hinter der Hütte. »Der Urbaum Frescos.«
Stamm und Baumkrone waren völlig vom Eis umschlossen, und nur einige Wurzelstränge ragten aus der kalten Umklammerung hervor. Die meisten davon waren, wie der größte Teil des Baumes selbst, längst abgestorben. Nur zwei oder drei trugen noch rudimentäre Blüten.
»Also auch hier«, murmelte David terGorden. In seinen Augen entstand ein eigentümlicher Glanz, als er sich wieder in Bewegung setzte
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