Die Terranauten TB 11 - Spektrum-Jagd
viel? Warum wollt ihr euch denn dann überhaupt noch in die Hölle vorwagen?«
»Das geht dich nichts an, Paria!« zischte Schira. »Willst du den Blütenstaub – ja oder nein?«
Der Händler nahm eine kleine Prise und ließ sie sich auf der Zunge zergehen. David konnte deutlich sehen, wie sich unmittelbar darauf der Blick des Mannes Verschleierte. Offenbar benutzten die Clanparia den Blütenstaub nicht, um damit eine mentale Symbiose zu erleichtern, sondern schlicht als Rauschmittel.
»Ich verdiene mir meinen Lebensunterhalt mit dem Handel«, erwiderte der bucklige Muhadin mit kratziger Stimme. »Natürlich bin ich euch gern zu Diensten.«
Er drehte sich um und geleitete sie in den Stallbereich. Als er die Tür öffnete, ertönte ein ohrenbetäubendes Gekreische, und der Lärm fand erst ein Ende, als der Händler mehrmals in die Hände, klatschte. Er zündete eine Fackel an, und in ihrem Lichtschein waren hohe Käfige aus rostigem Eisen zu sehen. Darin hockten Geschöpfe, die David zum erstenmal sah, die ihn aber unwillkürlich an den längst ausgestorbenen Vogel Strauß erinnerten. Die Wesen waren größer als ein ausgewachsener Mensch – oder Muhadin. Die muskulösen Beine endeten in Krallenfüßen mit drei Zehen. Das Gefieder sah aus wie ein graubrauner Schuppenpanzer, und der von einem feuerroten Kamm bedeckte Schädel erinnerte an den eines Adlers.
»Ich verkaufe hier die besten Marathons überhaupt«, ereiferte sich der Händler. »Sie sind domestiziert und besonders gutmütig – aber auch stark und ausdauernd. Wenn ihr wollt, könnt ihr mit ihnen durch die halbe Hölle reiten, ohne ihre Kräfte zu verausgaben.« Er holte einen Lederriemen hervor und schlug nach einem der Marathons. Das Geschöpf fauchte und kreischte und versuchte, den Muhadin mit seinen Krallen zu packen.
Der Händler kicherte irr.
Altac warf David einen fragenden Blick zu.
»Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren«, sagte David leise. »Sonst wird sein Vorsprung zu groß.«
»Oh, ihr verfolgt also jemanden?« fragte der Händler neugierig.
»Ich habe es schon einmal gesagt: Das geht dich nichts an.« Schira fügte einen Fluch hinzu, den der Autotranskribierer Davids nicht übersetzte.
»Schon gut, schon gut. Sucht euch vier aus.«
Nachdem Altac für sie alle die Wahl getroffen hatte, rührte der Händler sie weiter. David wurde immer unruhiger. Die schwache Präsenz des Sternenfängers näherte sich der Peripherie seines Wahrnehmungsfeldes. Sie mußten so schnell wie möglich aufbrechen.
»Das sind meine Drachenschlangen. Prächtig, nicht wahr?«
Der Händler deutete auf eine Vitrine aus Glas, in der sich Dutzende von schuppigen Schlangenleibern bewegten. Himmelblaue Schmetterlingsschwingen zitterten und vibrierten.
»Wir brauchen sie«, flüsterte Schira David zu.
»In der Hölle drohen vielfältige Gefahren, und die Drachenschlangen können uns rechtzeitig warnen. Ohne sie kämen wir nicht weit.«
Jeder von ihnen bekam einen dieser Gefahrenvorwarner. Sie schlängelten ihre Leiber um Hals und Oberarme, und David, dem diese Berührung zunächst unangenehm war, verspürte nach einigen Augenblicken einen diffusen und beruhigenden Gedankenstrom. Altac und der Händler machten sich daran, die Marathons zu satteln, und als sie anschließend aufbrachen, senkte sich gerade die Nacht über diesen Teil Tebheos. Die Ansiedlung der Clanparia blieb hinter ihnen im Nieselregen zurück, und vor ihnen ragte die grüne Mauer des weltumspannenden Urwalds auf. Sie folgten der mentalen Spur des Sternenfängers, und das Dickicht der Hölle nahm sie bereitwillig auf.
13
In der Hölle
Der Sternenfänger brauchte weder Marathon noch Drachenschlange, um das Dickicht des Urwaldes mit angemessener Geschwindigkeit zu durchqueren und sich vor den Gefahren zu schützen, die sich im verfilzten Grün des Dschungels verbargen. Immer wieder wechselte Chagar die Gestalt. Er wurde zu einer Borkenamöbe, wenn die von Fallensteilem und Pollensuchern konstruierten Stege plötzlich endeten, und als wabernder Teppich glitt er an den Stämmen der Bäume entlang, wechselte vorsichtig von Ast zu Ast und kam weiter voran. Er verwandelte sich in einen Beißer, ein Wesen, das über einen überdimensionierten Rachen und diamantharte Zähne verfügte, wenn sich die Netze eines Spinners über ihn stülpten. Er änderte seinen DNS-Code und wurde zu einem Siebenläufer, vor dem sich viele andere Tiere der Hölle fürchteten. Ganz zu Anfang spürte er die Präsenz David
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