Die Terranauten TB 11 - Spektrum-Jagd
vorgesehen. Interstellare Entfernungen kann man mit ihr nicht überbrücken. Und Tebheo ist mehr als zwanzig Lichtjahre von hier entfernt. Chagar hat einen Weltenspringer. Damit kann er den Planeten innerhalb weniger Stunden erreichen. Wir aber …«
»Die Wachschiffe kommen näher«, sagte Schira und deutete auf die Ortungsreflexe, die sich wie kleine zornige Pupillen auf einem der Monitore abzeichneten.
»Die Misteln … Myriam?«
Sie erwachte wie aus einem Traum und griff in eine Tasche ihrer Jacke. Als sie sich David zuwandte, lag auf ihrer schmalen Handfläche eine fast völlig verwelkte Urbaumblüte: die letzte Mistel, die ihnen noch verblieben war.
»Myriam?« Er sah sie fest an, und er spürte deutlich, was in ihr vor sich ging.
»Ja?«
»Sie sind nicht umsonst gestorben, Myriam. Das verspreche ich dir.«
Sie lächelte zaghaft und gab sich einen inneren Ruck. »Wir kriegen ihn, David. Wir machen dem Alptraum ein Ende.«
David ließ sich von Altac die Koordination Tebheos geben, und anschließend konzentrierte er sich auf die Mistel.
»Die Wachschiffe sind in zwanzig Sekunden auf Kernschußweite heran … neunzehn …«
Es fiel David schwer, sich zu orientieren. Die Mistel war verbraucht, und ihre Restenergie konnte ihm kaum noch dabei helfen, sich in das Gefüge des zweiten Weltraums hineinzutasten. Aber als Schira mit ihrem Countdown bei »zwei« angelangt war, verschwand jenseits der transparenten Kanzel plötzlich das Glitzern der Sterne der Sonnensphäre. Es wurde ersetzt von dem grauen und formlosen Wallen, das charakteristisch war für Weltraum II. Mit einer Geschwindigkeit, die weit über der des Lichtes lag, raste die Fähre einem ganz bestimmten Koordinatenpunkt entgegen.
»Du bist erschöpft«, flüsterte Myriam neben ihm. Sie empfand noch immer Trauer und zornige Verbitterung angesichts des Todes von Raol und Damiro, aber sie gab sich diesen Gefühlen nicht hin, sondern ließ sich davon ihre Entschlossenheit verstärken. »Ruh dich aus. Ich bin Treiberin. Und Altac und Schira könne mir dabei helfen, die Fähre zu steuern. Ruh dich aus, David.«
David wollte widersprechen, aber fast gegen seinen Willen sank er zurück, und seine Lider schlossen sich. Er spürte den warmen Atem Myriams an seiner Wange, und er dachte an den Sternenfänger.
Er war müde. So müde.
Als er wieder erwachte, war die Fähre bereits gelandet, und Altac und Schira schalteten die Systeme ab. Aber es waren nicht ihre leisen Stimmen, die ihn aus einem düsteren Traum gerissen hatten.
»Ich spüre ihn«, flüsterte er und richtete sich auf.
»Ja, er ist ganz in der Nähe.« Er starrte durch die transparente Kanzel hinaus. Durch eine neblige, grauweiße Wolkendecke sickerte trübes Licht. Die Betonfläche des Landefeldes war klein, und aus Dutzenden von Rissen wuchsen kleine und im Wind zitternde Halme. Einige hundert Meter entfernt hoben sich die Baracken des Raumhafenterminals – schäbige Bauten, die Jahrhunderte alt zu sein schienen und die man nur wenig oder überhaupt nicht gepflegt hatte. Nur wenige Gleiter und kleine Raumschiffe standen in den Parkbuchten. Ein Schlepper rollte heran, preßte seinen rostigen Magnetanker an die Außenhülle der Fähre und dirigierte ihr Schiff auf eine der markierten Standflächen zu.
»Dort drüben«, sagte Altac und deutete auf einen kleinen Planetenspringer. »Die Instrumente zeigen an, daß die Triebwerke noch heiß sind. Es muß das Schiff Chagars sein.«
David schnallte sich los und schickte sich wie die anderen an, die Fähre zu verlassen. »Wir haben seinen Vorsprung aufgeholt. Das müssen wir ausnützen.« Sie bewaffneten sich mit kleinen und handlichen Ergschleudern und stiegen aus. Myriam trat dicht an David heran. »Wie geht es dir?«
Er lächelte sie an und wußte, daß er ihr nichts vormachen konnte. Sie war nun seine Mentalpartnerin. Vor ihr konnte er nichts verbergen. Nicht mehr.
»Schlecht. Der Kristall ist zerplatzt. Und ich brauchte ihn jetzt so dringend.«
»Ich weiß.« Sie schmiegte sich kurz an ihn, während sie über den spröden Beton des Start- und Landefeldes schritten. »Aber wenn du recht hast … wenn Chagar nicht mehr annähernd so stark ist wie vorher …«
»Das hoffe ich«, erwiderte David dunkel und wandte den Kopf zur Seite. Auf der anderen Seite des Landefeldes ragte eine grüne Mauer in die Höhe. Dort begann der Urwald, der den ganzen Planeten umspannte. Und irgendwo in diesem Hunderte von Metern hohen Dickicht verbarg sich
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