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Die Terranauten TB 12 - Der weisse Stern

Die Terranauten TB 12 - Der weisse Stern

Titel: Die Terranauten TB 12 - Der weisse Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Weiler
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nicht. Noch nicht!
    »Der Retransfer hat uns nicht durch Zufall hierher geführt«, sagte er, und seine Stimme klang so, als litte er große Schmerzen. »Vielleicht ist dies der Ort, an dem ich den weißen Stern bilden kann. Ich muß mich beeilen … Er … er ist so stark …«
    Myriam musterte ihn besorgt. »David?«
    »Es ist schon wieder vorbei. Komm, Myriam. Wir müssen das quasiintelligente Steuerzentrum finden. Es stirbt. Aber es stirbt langsam. Vielleicht erhalte ich dort die Auskunft, die ich brauche.«
     
    Das Steuerzentrum war unterteilt in neun Nischen. In jeder Alkove wuchsen borkige Säulen aus dem Boden, verbreiterten sich nach oben hin und bohrten dünne Hohldorne in die ebenfalls aus pflanzlichem Material bestehende Decke. Durch einige der transparenten Kapillargefäße sickerte trübe Flüssigkeit, und hier und dort war ein langsames Pulsieren zu erkennen. Das matte Licht stammte von Mineralienadern, die von kleinen Wurzeln umschlungen wurden.
    Die Erinnerungsstimme war nun wie eine Glocke, die sich über sie beide stülpte. David schien problemlos mit den auf ihn einströmenden fremden Empfindungen fertigzuwerden. Myriam aber hatte große Schwierigkeiten, sich nicht mental in den psychischen Labyrinthen zu verlieren. Trauer erschütterte die Grundfeste ihres Ichs, und ihre Augen füllten sich mit salziger Nässe.
    Bilder von anderen Welten, auf denen carnivores Leben unbekannt war. Szenen der Harmonie. Und tiefe Melancholie angesichts der Wiederholung einer Katastrophe, der die Uralten zum Opfer gefallen waren.
    Eine mentale Sturzflut ergoß sich in den Geist der jungen Frau, und für einige wenige Augenblicke vergaß sie David. Sie hockte auf eine Schote und sah über sich hauchdünne Netzstränge, die sich zu einem Segel verwoben, in dem sich der Sonnenwind verfing. Ganz in ihrer Nähe schwebten Myriaden anderer Sporen, und sie alle erfüllten nur eine Aufgabe: Sie waren Botschafter des grünen Friedens, Abgesandte der Uralten, die längst nicht mehr lebten, aber aus ihren Fehlern gelernt hatten und dem Zweiten Kosmos die Harmonie schenken wollten, die sie selbst verloren hatten.
    Sie wandelte unter den Baumkronen des Alten Waldes, lauschte den Gesängen der Ulema, schmeckte die Ewigkeit von Regenbogenfeldern. Sie war eine Lenkerin, die von den Urbäumen ausgeschickt wurde, um einzelne Komponenten des IAES aufzusuchen und sie in die Lange Reihe zu reintegrieren.
    Sie spürte Schmerz.
    Die Pein von Verbrennungen, von Schmähungen, von Ignoranz.
    Das war eigentlich das Schlimmste: das Nichtverstehen, die Uneinsichtigkeit, die Arroganz des carnivoren Lebens.
    Myriam stöhnte, und als sie wieder die Augen aufschlug, blickte sie in das graue Gesicht Davids. Erst jetzt fiel ihr auf, daß er in den letzten Wochen sehr gealtert war. Er wirkte nicht mehr wie ein junger Mann. Er hatte Dinge gesehen und erlebt, die sich ihrer Vorstellungskraft entzogen.
    Ihre Lippen berührten sich kurz, und etwas von dem, was nun in David vor sich ging, eröffnete sich auch ihr. Sie starrte in einen Abgrund aufgewühlter Emotionen. Sie stürzte durch eine tiefe Schlucht, und sie wußte, daß der Fall erst zu Ende ging, wenn sich Davids Schicksal erfüllte, wenn er den weißen Stern gebildet hatte. Eine eisige Klammer umschloß ihr Herz. Sie würde ihn verlieren. Das stand fest. Daran war nichts zu ändern.«
    »Ich halte es nicht aus«, flüsterte sie und ließ sich von ihm halten.
    »Ich sterbe nicht.«
    »Aber du wirst dich … verändern.«
    David half ihr wieder auf die Beine. Die Mineralienadern in den Borkenwänden leuchteten jetzt heller, und Davids Gesicht hatte ein wenig Farbe zurückgewonnen. Er schien entspannter zu sein.
    »Wieviel Zeit ist vergangen?«
    »Mehr als eine Stunde. Was hast du gesehen, Myriam?«
    Sie erzählte es ihm. Die Worte strömten von ganz allein aus ihr heraus, und es war wie eine Befreiung. Als sie lauschte, stellte sie fest, daß sich die Trauer des quasiintelligenten Steuerzentrums aufgelöst hatte. Es blieb nur Melancholie. Und ein Hauch Hoffnung.
    Über ihnen knisterte es. Ein Teil der Decke öffnete sich, und darüber funkelte der Kristall einer Kuppel. Myriam kniff kurz die Augen zusammen, als daß gleißende Licht der gelben Sonne hereinfiel. David bewegte nur die eine Hand, und ein Segment der Kuppel wurde trüb, und der grelle Glanz verwandelte sich in einen diffusen Schein.
    Die Singularität.
    Wie ein Trichter, der ins Nichts führte. Das Schwarze Loch war unersättlich und

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