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Die Terranauten TB 17 - Die Bio-Sklaven

Die Terranauten TB 17 - Die Bio-Sklaven

Titel: Die Terranauten TB 17 - Die Bio-Sklaven
Autoren: Andreas Weiler
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erfüllte. Sie beachtete weder die jahrtausendealten Mauern noch die Khir-Hieroglyphen in den seltsamerweise von jeglicher Verwitterung verschont gebliebenen Säulen und eilte mit langen Schritten auf den Eingang des Refugiums zu. Zwei humanoide Qurqur hielten davor Wache und verneigten sich knurrend, als Myranna herankam. Das Licht einiger artifizieller Sonnen brach sich auf den geschliffenen Flächen des einige Dutzend Meter durchmessenden Kristalls, und es hatte den Anschein, als sei das Juwel in eine Regenbogenaura eingehüllt.
    Myranna trat rasch ein. Einer der Ärzte, die sich um ihren Vater kümmerten, erwartete sie bereits: ein dünner und sehr alter Mann mit faltigem Gesicht und trüben Augen. Er schüttelte nur stumm den Kopf, als sie ihn fragend ansah, und sie verstand. Es war soweit.
    Begleitet von dem Äskulap wanderte sie durch Gänge, deren Länge in keinem Verhältnis zu den äußeren Ausmaßen des Refugiums zu stehen schien, und immer wieder begegnete sie den hornigen Gestalten der Qurqur. Vor der Tür der Zimmerflucht, die Aleardo seit mehr als acht Wochen nicht mehr verlassen hatte, zögerte sie kurz, und der Arzt sagte mit brüchiger Stimme: »Wir können ihm nicht mehr helfen. Er stirbt, Myranna, und selbst die Biostimulationen nützen nichts mehr. Ihr Vater ist alt, Myranna, sehr alt und müde und erschöpft. Ich glaube fast, er möchte nicht weiterleben.«
    Sie öffnete die Tür und trat ein.
    Die Einrichtung der Räume entsprach der knappen und schlichten Art, die Aleardo ein Leben lang bevorzugt hatte: hier ein einfacher Schreibtisch aus Kunststoff, dort ein Schrank aus dem gleichen Material, ausgetretene und verblichene Teppiche, einige Vasen an den Wänden, deren Blumen längst verblüht waren. Nur im dritten Zimmer war ein Hauch von Luxus zu beobachten: zwei Madonnafiguren aus venezianischem Glas. Die eine stammte aus Genua, die andere aus Venedig. Beide irdischen Städte waren während des einundzwanzigsten und zweiundzwanzigsten Jahrhunderts durch die ökologischen und klimatischen Kataklysmen auf der Erde tief unter den Meeresspiegel abgesunken, und die Bergung der beiden Statuen – zusammen mit einigen anderen uralten Kunstobjekten, die Aleardo in einer alten Truhe aufgewahrte – hatte ein Vermögen gekostet.
    Myrannas fünfundneunzigjähriger Vater lag in seinem Bett, die Steppdecke bis zum Hals hochgezogen, die dürren Arme lang ausgestreckt. Durch die pergamentene und gelbliche Haut konnte man deutlich dicke Aderstränge sehen. Einmal war Aleardo sehr kräftig gewesen, doch seine Muskeln hatten sich schon vor Jahren zurückgebildet, und jetzt war er nichts weiter als ein Gerippe. Er hatte die Augen geschlossen, und zunächst glaubte Myranna, ihr Vater schliefe. Trotz der im Zimmer herrschenden Kühle glänzten kleine Schweißtropfen auf seiner Stirn, und Myranna griff nach einem Tuch und beugte sich vor.
    Aleardo stöhnte leise und schlug die Augen auf. »Myranna? Bist du es, Myranna?« Er war schon vor einigen Monaten erblindet, aber Myranna hatte sich noch immer nicht an den seltsam starren Blick gewöhnt.
    »Ja«, sagte sie leise und tupfte ihrem Vater die Stirn trocken. »Ich bin’s. Sprich nicht. Streng dich nicht an.« Es fiel ihr schwer, die Tränen zurückzuhalten. Sie fühlte sich plötzlich wieder als kleines Kind, als ein Mädchen, das fasziniert der Stimme seines Vaters lauscht und in den Geschichten lebt, die er ihr erzählte.
    »Es … es bleiben mir nur noch wenige Minuten«, flüsterte Aleardo. Mit zittrigen Fingern ergriff er ihre Hand und hielt sie fest. »Meine Brüder Ramino und Vincenzo … sie warten auf mich, jenseits des Dunkels. Der Tod ist nichts Schlimmes, Myranna, nichts weiter als eine folgerichtige Konsequenz, die einzige Sache, vor der man nicht fliehen kann und die man deshalb akzeptieren muß.«
    »Vater …«
    »Nein … nein, hör mir zu, Myranna. Du … mußt jetzt ganz allein weitermachen.« Der Kopf mit den eingefallenen Wangen und den tief in den Höhlen liegenden Augen sank zur Seite, und das Zittern der Hände verstärkte sich. »Es … es ist ein weiter Weg von der Erde bis in den Wirbel, Myranna. Mein Vater … er hatte nicht viel. Er baute Tecin auf. Und ich … ich führte sein Werk weiter. Jetzt … jetzt ruht die ganze Verantwortung auf dir, Myranna. Ich … ich erkläre dich hiermit zu meiner Erbin. Duccio, Raffaele, Nazario und die anderen … beteilige sie an der Gesellschaft, wenn du möchtest. Oder zahl sie aus.« Er hustete,
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