Die Teufelsbibel
gebrochene Achse repariert werden konnte oder besser ausgetauscht werden sollte.
»Wie auch immer, Baas«, sagte Cyprians Fahrer, nachdem er ihn beiseitegenommen hatte. »Die Schaluppe hier ist erst mal aufgelaufen, und das gründlich.« Er senkte seine Stimme. »Ich glaube, jemand hat ihnen gewünscht, dass das passiert.«
»Wie darf ich das verstehen?«
Der Lenker vollführte mit der Handkante eine sägende Bewegung über seine Holzprothese. Cyprian zog die Augenbrauen hoch.
»Ich kann’s nicht mit Sicherheit sagen, Baas. Aber ’n Teil der Bruchkante sieht zu sauber aus. Die Leute können von Glück sagen, dass wir hier vorbeigesegelt sind. Wer weiß, welche Freibeuter sie sonst gekapert hätten.«
»Sabotage, um sie auf der Straße festzuhalten und dann auszurauben?«
Der Kutscher zuckte mit den Schultern. »Was glauben Sie, warum ich jede Nacht, in der wir in irgend’ner Stadt vor Anker lagen, in unserem Kahn geschlafen habe?«
»Der Wagenlenker?«
»Ich kann nich’ für jeden die Hand ins Feuer legen, Baas.«
Cyprian überlegte einen Moment, dann wandte er sich dem jungen Paar zu.
»Unsere Kutscher sind sich einig, dass Ihr Wagen so schnell nicht wieder fährt.« Etwas in ihm sagte, dass er seine Mission so schnell wie möglich erfüllen und sich nicht mit zusätzlichen Reisegefährten belasten sollte; er ignorierte die Stimme. »Ich kann Sie mitnehmen bis zur nächsten Stadt. Dort können Sie dann veranlassen, dass Ihr Wagen geholt und repariert wird.«
»Das können wir nicht annehmen«, sagte der junge Mann.
Cyprian blickte sich um. Es mochte allenfalls um die zweite Stunde nach Mittag sein, und schon schien es, als sei die Dämmerung nicht mehr fern. Weiter vorn tanzte eine träge Schleppe aus Schneekristallen über die Straße und fiel wieder in sich zusammen. Momente später traf die kleine Bö, die den Schnee aufgewirbelt hatte, auf sie und hüllte sie in einen feinen Schauer.
»Was gefällt Ihnen so an der Alternative?«, fragte Cyprian und lächelte schwach.
Der junge Mann seufzte. »Sie sind sehr freundlich.«
»Ich bin Cyprian Khlesl.« Als der junge Mann einen Seitenblick auf das Wappen an Cyprians Wagen warf, fügte er hinzu: »Den hat mein Onkel mir geliehen. Mein Onkel ist der Bischof von Wiener Neustadt.«
»Dieser Wagen ist auch nur geliehen«, sagte der junge Mann. »Das ist ja das Schlimme an diesem Schaden. Darf ich vorstellen? Jarmila And ĕ l. Ich bin Andrej von Langenfels.«
»Ich dachte, Sie seien –«, sagte Cyprian und biss sich auf die Zunge.
»Ja?« Plötzlich wurde der junge Mann rot. »O nein, nein! Ich bin nur – wie sagt man – der Lehrer der junge Dame?«
»Natürlich«, sagte Cyprian. »Entschuldigen Sie.« Bei sich dachte er: Ihr armen Narren, man sieht es euch doch an den Nasenspitzen an. Habt ihr euch ein paar Tage Zeit gestohlen oder seid ihr auf der Flucht? Eine hässliche Stimme in seinem Inneren setzte hinzu: nach Virginia? »Wo wollten Sie hin?«
»Nicht eine Last für Sie sein wollen«, radebrechte die junge Frau.
»Keine Sorge. Dieses – äh – Grudimm liegt auf meiner Strecke, das ist die nächste größere Stadt. Dort finden Sie garantiert Unterkunft und einen Wagner. Oder hatten Sie ein anderes Ziel?«
»Chrudim«, sagte sie und lächelte schüchtern.
»Grudimm«, sagte Cyprian und zuckte mit den Schultern. Sie lachte.
»Wir sind Ihnen dankbar, wenn Sie uns nach Chrudim mitnehmen wollen«, erklärte der junge Mann.
»Also schön. Frau And ĕ l, Herr von Langenfels, genießen Sie die Gastfreundschaft von Bischof Melchior Khlesl.«
»Andrej«, sagte Andrej. Er streckte die Hand aus.
Cyprian ergriff sie. »Ich bin Cyprian. Und jetzt lassen Sie uns Männer Ihre Pferde abschirren und den Wagen beiseiteschieben, damit wir weiterfahren können.«
Als sie fertig waren, ließ Cyprian seinen neuen Bekannten vor sich einsteigen. Er warf seinem Wagenlenker, der bereits auf dem Bock saß und beiseitegerutscht war, um seinem Zunftgenossen Platz zu machen, einen Blick zu. Der alte Seebär gab ihn ruhig zurück. Dann griff er mit seiner gesunden Hand wie zufällig neben sich und lockerte etwas, das unauffällig in einer engen Lederschlinge steckte und wie ein lang gezogener Holzkeil aussah, wenn man nicht genauer hinblickte und den lederumwickelten Griff und das eiserne Band sah. Das Band saß da, wo das Holzteil mit dem Schädeleines Menschen in Kontakt kam, wenn man ihm das Ding überzog. Cyprian nickte seinem Wagenlenker zu, dann
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