Die Teufelsbibel
ich dich so sehr verletzt habe«, sagte er.
»Wir sind nur Spielbälle«, sagte sie. »Spielbälle in den Spielen schwarz gekleideter Männer mit Kutten oder Biretten. Ich, weil mein Vater zugelassen hat, dass es so gekommen ist, du, weil du dich selbst ergeben hast.«
Cyprian versuchte etwas zu sagen, doch sie schnitt ihm das Wort ab.
»Wo ist der Unterschied?«, fragte sie. »Was unterscheidet Bischof Melchior Khlesl von diesem Dominikanerpater? Sieziehen an Fäden, und wir tanzen. Weißt du, was ich glaubte, als ich dich zuerst vor unserem Haus stehen sah und mein Vater und Sebastian Wilfing ließen dich nicht ein? Ich dachte, du seist dieser Pater, diese kalte, seelenlose Schlange! So ähnlich bist du denen schon geworden, die dich lenken!«
Sie brach in Tränen aus. Der Mantel rutschte erneut von ihren Schultern. Sie spürte die Kälte nicht. Alles, was sie spürte, war der Schmerz, ihr eigener und der, den sie ihm zugefügt hatte. In ihrem Inneren hörte sie die Stimme weiterhin kreischen, die rief: Jetzt hast du endgültig die einzige Liebe zerstört, die dir je etwas bedeutet hat!
5
Pater Xavier lag ausgestreckt auf der Pritsche in seiner Zelle und hörte aufmerksam zu.
»… ich dachte, du seist dieser Pater, diese kalte, seelenlose Schlange … dieser schamlose Tyrann, dieser Ausbeuter, dieser Abschaum aus der Hölle, den der Teufel zum Frühstück ausgespieen hat, dieser durch und durch verdorbene …«
Pater Xavier streckte den Fuß aus und gab dem Bettler einen Tritt.
»Aua! Ich kann nichts dafür, das hat sie gesagt! Wortwörtlich.«
»Überspringen wir die Details«, sagte Pater Xavier. »Hast du herausgefunden, in welcher Mission Cyprian Khlesl hier ist?«
»Nein, Hochwürden, er hat kein Wort darüber verloren.«
»Wie ist es weitergegangen?«
»Sie hat geheult und ist aus dem Wagen gesprungen und davongerannt. Ich wusste nicht, ob ich sie verfolgen sollte oder bei der Karre bleiben. Aber dann kam er heraus und rannte ihr ein paar Schritte nach, und da beschloss ich, lieber in Deckung zu bleiben, bevor er mich noch entdeckt.«
»Ich kenne das Haus, in dem mein alter Geschäftspartner Niklas Wiegant hier in Prag lebt. Du hast dich richtig entschieden.«
Der Bettler warf sich in die Brust.
»Und er?«
»Stieg wieder ein und ließ losfahren. Ich konnte mich gerade noch wieder unten dranhängen. Er ist aber nur nach Hause gefahren, nirgendwohin sonst.«
»Ich kann Bischof Khlesl nicht einschätzen«, sagte Pater Xavier mehr zu sich selbst. »Ich weiß, dass er Kardinal Facchinetti unterstützt hat. Dass er einen Agenten nach Prag schickt, kann nur bedeuten, dass Facchinetti geplaudert hat und dass Khlesl Bescheid weiß.«
»Worüber Bescheid, Hochwürden?«
Pater Xavier blickte auf. »Ich möchte über jeden Schritt, den Cyprian Khlesl macht, informiert werden. Er hat den gleichen Namen wie der Bischof, also müssen sie verwandt sein. Der Bischof versucht das Ganze in der Familie zu halten. Ein vorsichtiger Bursche.«
»Es wäre leichter, wenn ich wüsste, worum es sich handelt«, sagte der Bettler.
Und das Erste, was sein Agent tut, ist, sich hier in Prag mit Agnes Wiegant zu treffen, dachte Pater Xavier. Jeder Mensch hat seinen Preis. Es mochte gut sein, dass der Preis, mit dem Cyprian Khlesl zu bekommen war, unter dem Dach von Niklas Wiegant lebte. Er würde die junge Frau im Auge behalten müssen.
»Ich meine, am Ende überhöre ich noch was, was Hochwürden wichtig ist«, erklärte der Bettler.
»Wenn ich dich einweihe, was hier gespielt wird, muss ich dich nachher töten«, sagte Pater Xavier gleichmütig.
Der Bettler schluckte. »Also wenn man’s genau bedenkt, schaffe ich es auch so«, sagte er.
Pater Xavier nickte. »Du behältst Agnes Wiegant im Auge.Mag sein, dass sie nur zufällig in dieser Geschichte eine Rolle spielt. Aber Bischof Khlesl hat letzten Herbst in Wien eingehende Erkundigungen über sie eingezogen. Ich glaube nicht an Zufälle, wenn sie sich derart häufen.«
»Es war saukalt, Hochwürden«, sagte der Bettler. »Ich dachte, mir frieren die Gliedmaßen ab, als ich da die halbe Nacht unter der Karre hing.«
»Du wirst dir bei deinen nächsten Beobachtungen etwas Wärmeres anziehen müssen«, sagte Pater Xavier.
»Ich habe nichts anderes als das, was ich auf dem Leib trage.«
»Du hast die Binde, mit der du untertags den Blinden mimst«, sagte Pater Xavier.
Der Bettler starrte die hagere Gestalt auf der Pritsche an. Ihm war vollkommen klar, worauf
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