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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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verrückt? Glauben Sie, ich will mich anstecken?« Andrej stieß das Deckenbündel mit dem Fuß an. Eine Decke verrutschte und offenbarte ein Gesicht, in dem zwei unregelmäßige Löcher klafften – ein aufgerissener Mund und eine Nasenhöhle. Die Augen waren geschlossen, die Gesichtsfarbe gelb wie geronnenes Wachs. Im Inneren der klaffenden Öffnungen sah man träge wimmelndes Leben. Andrej sprang zurück.
    »Verdammt noch mal«, flüsterte er.
    Cyprian schwieg. Er wusste, dass seine Stimme nicht besser geklungen hätte als die Andrejs. Er erneuerte seinen Vorschlag nicht, sich mit den Decken zu tarnen. Sie kletterten über einen Pfad, der auch im Hochgebirge hätte sein können, auf die mächtige Klippe des eingesunkenen Klostergebäudes zu. Es kostete Überwindung, sich mit den Händen abzustützen, wenn man wusste, welche Hände dort vielleicht zuvor Halt gesucht hatten.
    Cyprian drehte sich um und ertappte Andrej dabei, wie dieser versuchte, seinen Ärmel so weit nach vorn zu ziehen, dass er den Stoff über die Handballen zerren konnte. Andrej gab seinen Blick zurück und starrte dann trotzig auf Cyprians Brust. Cyprian folgte ihm und erkannte, dass er sich bereits mehrfach dort die Hände abgewischt haben musste; das Wams war ruiniert.
    Aus der Nähe besehen wirkte die Ruine des Klosterbaus nicht mehr so unwegsam. Ein Teil der Außenmauer war unter dem Gewicht des eingestürzten Dachs nach außen gedrückt worden und in sich zusammengefallen, aber der Haupttrakt schien im Wesentlichen unversehrt; es waren andere Gebäude, die gegen seine Mauern gesackt und zusammengestürzt waren.Die Ruine besaß ein intaktes Eingangsportal mit einer verzogenen Holztür. Cyprians erster Impuls war, sie aufzudrücken, doch dann merkte er, dass er unwillkürlich zögerte, die flache Hand auf das Holz zu legen. Es gab mehrere dunkle, abgewetzte Stellen, die bewiesen, dass auch andere mit ihren Händen gegen das Türblatt gedrückt hatten. Cyprian biss die Zähne zusammen und versuchte eine Stelle zu finden, die halbwegs unberührt aussah. Er war sich der Blicke Andrejs bewusst. Die Tür regte sich nicht.
    »Abgeschlossen«, murmelte er und war froh, die Hand wegnehmen zu können.
    Andrej sah sich um. »Wo sind sie alle?«, wisperte er.
    Cyprian zuckte mit den Schultern.
    »Ich denke – es ist ja nicht so, dass hier niemand wäre, oder? Die Spuren über den Schutt – die Gestalten, die wir bereits gesehen haben – der Tote –«
    »Sie liegen alle in ihren Löchern«, sagte Cyprian.
    »Sie meinen – gestorben?«
    »Nein, versteckt.«
    »Ach ja«, sagte Andrej und grinste humorlos. »Aus Angst vor uns vermutlich. Sollen wir ihnen verraten, dass wir mehr Angst vor ihnen haben als sie vor uns?«
    Cyprian warf ihm einen Seitenblick zu. »Angst vor uns?«
    »Die erkennen doch, dass wir gesund sind. Was meinen sie wohl, was die Unglücklichen glauben? Die halten uns für Gesandtschaft aus Chrudim, die nachschauen kommt, ob dieser Friedhof hier brennt, wenn man genug Öl darüber gießt!«
    »Incendium purgat«, sagte Cyprian. »Das Feuer reinigt.«
    »Amen.«
    Cyprian schüttelte den Kopf und sah sich gleichzeitig um. Es wirkte, als würde er wittern. »Nein«, sagte er. »Nein. Wenn die guten Bürger von Chrudim so etwas vorgehabt hätten, wäre es schon lange geschehen – und das wissen die armen Schweine ganz genau.«
    »Was haben die Leute hier dann Ihrer Meinung nach?«
    »Angst vor dem Ende der Welt«, sagte Cyprian, ohne zu überlegen. Er musterte Andrej, der ihn anstarrte. »Vor dem Ende ihrer kleinen, unglücklichen, höllischen Welt.«
    Andrej erwiderte nichts, aber er zog die Schultern hoch. Cyprian wusste selbst nicht, warum er das gesagt hatte, aber er war überzeugt, dass es der Wahrheit entsprach. Es lag in der Luft – wie der Hauch von Verwesung über einem Totenacker, und damit meinte Cyprian nicht den tatsächlichen Gestank, der an den Schutthaufen klebte.
    »Wie hat es hier ausgesehen, als Sie zum ersten Mal hier waren?«, fragte er.
    »Nicht so sehr zerstört«, sagte Andrej nach einer langen Pause. »Das Kloster war damals schon eine Ruine, aber seither – Ich weiß nicht, was hier passiert ist, aber es sieht aus, als wäre der Zorn Gottes darüber hinweggezogen. Mein Vater ist in dieses Gebäude gegangen, und aus diesem Gebäude sind auch der Wahnsinnige und die anderen Klosterbrüder gekommen, und der schwarze Mönch mit der Armbrust, der den Rasenden erschossen hat.«
    »Was glauben Sie, warum es

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