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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Kloster, wanderten durch die Stadt und kehrten dann zurück. Es waren immer zwei. Sie passten aufeinander auf, so wie sie auf das teuflische Buch aufpassten, das in ihre Obhut gegeben worden war. Pavel war überzeugt, dass er mit dieser Maßnahme verhindern konnte, dass jemals wieder so etwas passierte wie vor zwanzig Jahren; es reichte, wenn der brüllende, Axt schwingende Mönch alle paar Wochen durch seine Träume rannte, wenn die panischen Frauen und die schreienden Kinder durch seinen Geist flüchteten, während er sich stöhnend auf seiner Pritsche wälzte; wenn der Leib der Frau mit dem zerschmetterten Schädel in einem letzten Aufbäumen das Kind in die Welt stieß –
    Dieses Mal waren sie den langen Abhang heruntergegangen, auf dem die Stadt Braunau sich – vom Kloster ausgehend – hinunter in die Flussebene zog, waren durch das kaum bewachte Niedertor hinaus- und den jenseitigen steilen Hügel wieder hinaufgestiegen bis zur Kirche der Heiligen Jungfrau Maria auf dem Friedhof. Buh hatte die Stirn gerunzelt, aber nichts gesagt. Wenn Pavel es für angemessen hielt, eine Kirche aufzusuchen, die in den letzten Jahren von den Protestanten für ihre Messen eingenommen worden war, dann würde es schon seine Richtigkeit haben.
    Pavel machte sich über die verfeindeten Konfessionen keine großen Gedanken. Die Aufgabe, die er und die sechs anderen Kustoden zu erfüllen hatten, war unabhängig von jeder Auslegung des Glaubens, und wenn sie darin versagten, würde die Zugehörigkeit zum katholischen oder lutherischen Glauben nur insoweit eine Rolle spielen, als der Teufel den einen wie den anderen mit Vergnügen erschlug. Von der Friedhofskirche hatte man einen hervorragenden Blick auf die gesamte Stadt. Sie hatten über zwei Stunden dort oben gestanden und Braunau beim Sterben zugesehen.
    Buh hatte beim Herumwandern um die hölzerne Kirche eine Reihe von Votivtafeln gefunden. Gebannt von der Faszination, die die für ihn unlesbaren Buchstaben stets ausübten, war er davor stehen geblieben und hatte sie angestarrt, bis Pavel gekommen und ihm den Text leise vorgelesen hatte. Von der Überschwemmung von 1570 war zu lesen gewesen, von den beiden Hungersnöten im gleichen Jahr und ein Jahr später, von den Pestepidemien 1582 und 1586 mit insgesamt über eintausend Toten. Eine Tafel hatte mit einem Stoßgebet geendet: Der ewig gütige Gott wolle seinen Zorn von uns wenden und uns vor der gleichen Heimsuchung und noch größerer Strafe gnädiglich behüten . Ob Protestanten oder Katholiken – in der Todesangst riefen alle den gleichen Gott an, und ihr Flehen unterschied sich nicht. Auf den Votivtafeln der katholischen Pfarrkirche war keine Rede mehr davon, dass Gott zornig darüber war, dass so viele Bewohner der Stadt der lutherischen Ketzerei erlegen waren und er deshalb biblische Plagen über Braunau schickte; ebenso wenig wie hier bei der Kirche der Heiligen Jungfrau zu lesen war, dass selbstverständlich die Katholiken mit ihrem Festhalten an den verderbten papistischen Praktiken daran schuld waren.
    Genützt hatten weder der rechte noch der falsche Glaube, weder Votivtafeln noch das darauf eingegrabene Flehen um Gnade. Braunau, die reiche Tuchmacherstadt, das Juwel Nordböhmens, die selbstbewusste, fast selbständige Gemeinde reicher Bürger, von den Äbten den Königen und Fürsten und von den Bürgern den Äbten abgetrotzt, zerschmettert von mehreren Fluten, zerfressen von der Pest – Braunau war am Ende. Pavel wusste, dass Abt Martin sich insgeheim selbst die Schuld daran gab, und es schmerzte ihn. Die Schuld, unter der der Abt sich beugte, hatte ihn beinahe gelähmt, hatte ihn sich zurückziehen und die Dinge einfach laufen lassen – hatte ihm einen so katastrophalen Ruf in der Stadt eingebracht, dass Pavel sich manchmal wünschte, die Pest möge sie allevon der Erdoberfläche tilgen, damit die falsche Schmach vergessen und der Name des Abtes nicht durch alle Zeiten hindurch beschmutzt wäre.
    Schließlich waren sie heimgekehrt. Keiner hatte sie angesprochen, man hatte sie weder verflucht noch um Beistand gebeten. Die Bewohner der sterbenden Stadt waren jenseits selbst dieser Regungen.
    Als Pavel von Buh abließ und sich umdrehte, stand einer der Mönche des Klosters in der Eingangshalle. Pavel lächelte, obwohl es sinnlos war; jeder, der mit ihm oder den anderen Kustoden zu tun hatte, machte ein steinernes Gesicht und sandte den Wunsch, sich am liebsten am anderen Ende des Klostergeländes aufzuhalten,

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