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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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war.
    Pater Xavier nahm die Taube und trug sie zu den anderen. Die Tiere waren wieder vollzählig. Yolanta würde keine weitere mehr abschicken können; sie hätte die letzte zurückbehalten, wenn sie nicht gedacht hätte, dass diese eine Mission beendet war.
    Wann sehe ich mein Kind?
    Pater Xavier lächelte. »Wenn ich dich nicht mehr brauche«, flüsterte er.

15
    Wenn man den Pfarrer der Heiligenstädter Kirche fragte, wie es ihm ging, erwiderte er in der Regel, dass die Jahre gut zu ihm gewesen seien; gefolgt von einem nachdenklichen Händefalten vor seinem mageren Leib und dem Zusatz: »Zu gut, mein Kind, zu gut.« Er hatte als blutjunger Kaplan seinen damaligen Pfarrer dies tun sehen, und es war ihm als Ausdruck von Bescheidenheit, Lebensfreude und glücklicher Fügung in die Ratschlüsse des allmächtigen Gottes geschienen. Dass der Pfarrer damals die notwendige Plauze besessen hatte, um den Spruch zu unterstreichen, hatte er vergessen, und der unfreiwillige Sarkasmus, der sich aus diesem Spruch in Zusammenhang mit seiner dürren Figur entwickelte, entging ihm. Zuweilen verwirrte ihn das zynische Lächeln, das er als Antwort darauf von einem Gemeindemitglied erhielt, das ebenso wenig Fleisch auf den Rippen hatte, weil die letzte Überschwemmung ihm alles genommen hatte. Noch mehr verwirrte ihn allerdings im Augenblick der dünne, abgerissene, stinkende Dominikanermönch, der plötzlich im Kirchenschiff stand und sich mit einer Brille zu orientieren versuchte, mit der man gefahrlos in die Sonne hätte blicken können, so trüb war sie. Der Neuankömmling machte keine Anstalten, nach des Pfarrers Wohlergehen zu fragen.
    »Wo ist der unterirdische See?«, fragte er statt einer Begrüßung. Die Konsonanten seines Lateins prallten von den Wänden ab und flogen als Querschläger durch das Kirchenschiff.
    Der Pfarrer benötigte ein paar Momente, um zu verstehen, was er gefragt worden war.
    »Der unterirdische See?«, erkundigte er sich vorsichtig.
    Der Dominikaner deutete auf die Tür hinter dem Altar. »Wohin führt sie?«
    Der Pfarrer erinnerte sich an die junge Frau, die letzten Herbst hier gewesen war, rätselhafte Dinge gesagt und schließlich in seinen behelfsmäßigen Vorratsraum gestarrt hatte, als hätte sie wirklich eine Treppe in ungekannte Tiefen und ein Labyrinth aus Katakomben und phantastischen Grotten dort erwartet. In seinem kleinen, schüchternen Hirn bildete sich der Gedanke, ob Gott oder jemand anderer sich einen Spaß daraus machte, ihm alle paar Monate einen Verrückten zu senden.
    »Nirgendwohin«, sagte er. »Womit kann ich dir helfen, Bruder?«
    Der Dominikaner blickte sich um. Der Pfarrer stellte fest, dass der verschwimmende Blick hinter den Brillengläsern seine Nackenhaare dazu brachte, sich aufzurichten.
    »Gibt es noch eine andere Tür?«
    »Hinter dem Altar? Nein – hier geht’s zur Sakristei, und dort ist der nördliche Seitenausgang, aber beide sind natürlich nicht hinter –«
    Der Pfarrer wandte sich zu seinem Gast um, der sich in Bewegung gesetzt und zu der vermaledeiten Tür geschritten war. Er lief ihm nach.
    »Womit kann ich dir helfen, Bruder?«
    Der Dominikaner rüttelte an der Tür. »Sperr sie auf.«
    »Nach dem letzten Mal habe ich ein Schloss daranmachen lassen«, erklärte der Pfarrer hilflos. »Ich wachte nachts auf und träumte, dass jemand auf meinen Vorräten herumtrampelte, während er irgendwelche Höhlen suchte, und so.«
    »Höhlen?« Der Dominikaner fuhr herum. »Höhlen mit einem See?«
    »Dies ist meine Vorratskammer«, versuchte es der Pfarrer erneut, weil er das Gefühl hatte, er müsse zuerst die grundlegenden Dinge mit seinem Gast klären.
    »Wo ist der Schlüssel? Sperr auf!«
    »Es gibt dort nichts außer meiner Vorratskammer, tut mir leid«, sagte der Pfarrer, horchte seinen Worten hinterher, fand sie ein wenig zu barsch für einen Diener Gottes und wiederholte: »Tut mir leid.«
    Der Dominikaner rüttelte an der Tür, stöhnte und gab ihr einen Tritt.
    »Nur die Ruhe, nur die Ruhe!« Der Pfarrer nestelte hastig an seinem Schlüsselbund herum. Es hingen drei Schlüssel daran, der zur Kirche, der zur Sakristei und der zum Vorratsraum. Er steckte die beiden falschen Schlüssel ins Schlüsselloch und triumphierte endlich mit dem dritten. Die Tür schwang auf; der Dominikaner packte das Türblatt und riss sie ungeduldig weiter auf. Das kühle, leidenschaftslose Licht des leeren nachmittäglichen Kirchenschiffs sickerte die paar Treppenstufen hinunter,

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