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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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wie einen Geruch aus. Gegen dieses Stigma half nicht einmal das Lächeln, das das einzige Geschenk Gottes an seine Kreatur namens Pavel darstellte und das fast jeden Menschen dazu zwang, zurückzulächeln.
    »Der ehrwürdige Vater Abt will dich sprechen.«
    Pavel nickte und wandte sich zu der Treppe, die hinab in die Eingeweide des Klosters führte.
    »Jetzt«, sagte der Mönch.
    »Ich muss meinen Brüdern Bescheid sagen«, erklärte Pavel, sein Lächeln unbeirrt festhaltend. »Die Kustoden müssen immer wissen, wo sich alle Mitglieder –«
    »JETZT«, sagte der Mönch. Seine Abneigung machte seine Stimme rau.
    Pavel wechselte einen Blick mit Buh.
    »Allein«, sagte der Mönch.
    Pavels Augen verengten sich. »Gib den Brüdern Bescheid«, sagte er zu Buh.
    »G… g… g… guuut«, sagte Buh.
    Pavel nickte. Er wandte sich dem Mönch wieder zu, den Abt Martin gesandt hatte. Sein Lächeln zeigte sich erneut, doch es fiel ihm schwer, es aufrechtzuerhalten. »Nach dir, Bruder«, sagte er.
    Der Sendbote des Abtes drehte sich um und schritt davon, ohne Pavel noch eines zweiten Blickes zu würdigen. Pavels Lächeln verlosch. Er folgte dem Bruder, und mit jedem Schritt begann sein Herz schmerzhafter zu schlagen.
    Der Abt sah aus, als würde er jeden Moment ohnmächtig werden. Der Mönch, der Pavel hergebracht hatte, verbeugte sich und schritt hinaus. Abt Martin standen der Kapitelsaal, ein komfortables Sprechzimmer für weltliche Gäste im äußeren Klostertrakt und ein kleineres Sprechzimmer für die Mitglieder der Gemeinschaft beim Aufgang zum Refektorium zur Verfügung. Dennoch hatte er Pavel zu seiner eigenen engen Zelle bringen lassen. Der Abt stand am Fenster, als brauche er das Tageslicht, um sich zu vergewissern, dass es noch so etwas wie Realität gab. Er schwieg, bis sie allein waren. Der Mönch hatte beim Hinausgehen die Tür geschlossen. Das Schweigen war eines von der Sorte, die einem laut in den Ohren gellen. Außer ihm hörte Pavel nur seinen eigenen Herzschlag. Er sah dem Abt dabei zu, wie dieser mehrfach dazu ansetzte, etwas zu sagen und wieder verstummte. Der junge Kustode fühlte die Erschütterung seines Klosteroberen, als wäre es seine eigene.
    »Der Friede des Herrn sei mit dir, ehrwürdiger Vater«, flüsterte Pavel schließlich, und es war weniger ein Gruß als vielmehr ein Herzenswunsch.
    »Kannst du dich noch an Bruder Tomáš erinnern?«, stieß der Abt hervor.
    Sie standen durch die ganze Länge der Zelle voneinander getrennt. Abt Martin wirkte wie eine graue, gebeugte Statue im Lichtkegel des Zellenfensters; Pavel war ein Schatten in der Düsternis neben der Tür, der sagte: »Wie könnte ich ihn vergessen haben, ehrwürdiger Vater?«
    »Ich habe mich an Gott, an ihm und an dem Kind versündigt«, sagte Abt Martin. Es klang fast wie ein Schluchzen. »Ich habe das Richtige getan, und doch war es eine Sünde.«
    »Du hast das Richtige getan, ehrwürdiger Vater, das ist es, was zählt.«
    »Ich weiß es nicht. Glaubst du, dass ich das Richtige getan habe? Ich weiß es nicht, Bruder Pavel.«
    Pavel zögerte, doch dann trat er auf den Abt zu. Aus der Nähe erkannte er, dass die Augen Martins gerötet waren. Das schmerzhafte Pochen seines Herzens hatte noch nicht aufgehört, doch jetzt mischte sich in seine Furcht und dunkle Vorahnung ein geradezu brennendes Mitleid. Dieses Gefühl erstickte jeden Zweifel in ihm. Was Abt Martin auch wünschen würde, er würde dem Wunsch folgen.
    »Ehrwürdiger Vater, warum denkst du gerade jetzt an ihn? Bruder Tomáš ist schon lange beim Herrn, und der Herr hat ihm verziehen, so wie er dir und uns allen verzeihen wird.«
    Die Hände des Abts schossen aus den Ärmeln seiner Kutte, in denen er sie verschränkt hatte. Er packte Pavel an den Handgelenken. Martins Hände waren Klammern aus Eis.
    »Nein«, sagte er und schüttelte den Kopf wie ein halb Wahnsinniger, »nein, nein, NEIN! Bruder Tomáš lebt. Er ist hier. Er ist nach Braunau gekommen. Er liegt im Sterben und wünscht meine Absolution, doch ich habe nicht den Mut, zu ihm zu gehen und der Sünde ins Auge zu blicken, die ich selbst befohlen habe!«
    »Still, ehrwürdiger Vater, still!«
    Der Aufschrei des Abts hallte in der Zelle und echote draußen in den Gängen des Klosters. Pavels Gedanken rasten hilflos auf einer Kreisbahn. Sein Herz bewegte seinen Mund, bevor sein Hirn es tun konnte.
    »Ich werde dich begleiten, ehrwürdiger Vater«, sagte er. »Dies ist auch eine Sache, die die Kustoden betrifft.«
    Die

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