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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Pause zurück, dass er dachte, er habe sie verloren. »Nicht die Geringsten unseres Volkes haben Otákar geheißen«, sagte sie.
    »Vermutlich haben sie sich alle von Herzen gewünscht, anders zu heißen.«
    »Es kann nicht jeder Andrej heißen.«
    »Nein. Gott sei Dank.«
    »Ich muss tun, was er mir befiehlt. Nur so sehe ich mein Kind wieder.«
    »Wer ist ›er‹?«
    Yolanta rappelte sich auf, bis sie sitzen konnte. Andrej hätte sie gern in den Arm genommen, aber im Augenblick fühlte er sich ihr ohnehin so nahe wie nie zuvor. Sie deuteteauf einen Stuhl am Ende des langen Tisches, der etwas zurückgerückt und seitlich stand.
    »Er ist nicht der Hauskaplan meiner Großtante«, sagte sie. »Ich weiß nicht, wer er ist. Ich kenne lediglich seinen Namen – Xavier Espinosa, Pater Xavier Espinosa – und ich weiß, dass er Dominikanerpater ist. Mehr hat er mir nicht verraten. Wer er wirklich ist , kann ich nicht einmal ahnen, und ich will es auch gar nicht wissen.«
    »Warum ausgerechnet du?«
    Yolanta zuckte mit den Schultern. »Warum fällt einem ein Ziegelstein auf den Kopf? Warum bekommt man eine Krankheit und stirbt daran? Er ist in das Heim für gefallene Mädchen gekommen, das die Klarissen in Sankt Agnes führen. Ich weiß nicht, was er der Oberin erzählt hat, aber sie hat mich mit ihm gehen lassen – sie hat mich geradezu weggeschickt. Ich nehme an, er hat sie belogen. Ich glaube nicht, dass sie einen ihrer Schützlinge mit vollem Wissen diesem Ungeheuer anvertraut hätte.«
    »Ungeheuer? Er ist doch nur ein mürrischer, magerer Bursche mit einem harten Akzent –«
    »Er erpresst mich mit meinem Kind«, sagte sie.
    Andrej schwieg. Yolanta wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht, schnäuzte in ein Tuch und machte sich an halbherzige Restaurierungsarbeiten. Mittendrin verließ die Energie sie wieder, und ihre Arme sanken herab. Sie begann aufs Neue zu weinen. »Ich kann nicht mehr«, flüsterte sie. »Ich kann nicht mehr –«
    »Wie alt ist dein Kind?«, fragte Andrej.
    »Fast sechs Monate«, schluchzte sie.
    »Ein Mädchen?«
    »Ein Junge.«
    »Wie heißt er?«
    Sie vergrub das Gesicht in den Händen und weinte rau. Er konnte sie fast nicht verstehen. »Wenzel.«
    »Wo ist er?«
    »Im Findelhaus bei den Karmelitinnen. Ich darf ihn nicht sehen. Er sagte – er sagte zuerst, er sei krank, dann sagte er, es gehe ihm wieder gut, weil er die Schwestern angewiesen habe, sich besonders um ihn zu kümmern. Und er sagte, es wäre ein Leichtes, seine Anweisung zurückzunehmen. Wenzel ist so klein und schwach – Herr im Himmel, hilf meinem Sohn!«
    Ihr Kummer drückte ihm das Herz ab. Er fasste sie an der Schulter, und sie lehnte sich an ihn. Seine Arme schlossen sich ohne sein Zutun um sie, und er begann sie zu wiegen.
    »Ich bringe ihn um«, flüsterte sie in den Stoff seines Wamses hinein. »Sobald ich Wenzel wiederhabe, bringe ich ihn um. Ich bringe ihn um!«
    Andrej zuckte zurück. Sie hatte den letzten Satz herausgeschrien.
    »Schsch«, sagte er. »Soll er dich hören?«
    Sie lachte voller Hass. »Glaubst du, er schläft unter diesem Dach? Es sieht nur so aus. In der Nacht sucht er seine eigene verdammte Höhle auf. Ich würde mich nicht wundern, wenn es ein Loch in der Erde wäre, das direkt in die Hölle hinunterführt. Ich bin sicher, er lässt mich beobachten, aber er verbringt die Nacht nicht unter demselben Dach wie ich.« Sie zögerte. »Wenn es so wäre, hätte ich ihn schon längst getötet.«
    »Jar … Yolanta«, sagte er und strich ihr über den Rücken, plötzlich beklommen angesichts ihres mörderischen Hasses. Er verfluchte sich dafür, dass ihm ihr wirklicher Name nicht auf Anhieb über die Lippen gekommen war, und ahnte, dass es ihm schwerfallen würde, sich an ihn zu gewöhnen. »Beruhige dich.«
    Sie drückte sich an ihn. Schweigend saßen sie eine Weile vor dem Feuer. Andrejs lange Beine fühlten sich an, als wären sie mehrfach unter ihm gefaltet, der Boden war trotz des Feuers im Kamin kalt, das Feuer röstete seine linke Seite, aber insgesamt war hier mit Yolanta zu kauern und zusammen dieWahrheit zu erkunden süßer, als jede Reise in die Lust, die sie in ihrem Bett unternommen hatten.
    »Er hat dich ausgesucht, weil du erpressbar bist«, sagte er. »Aber wozu? Was will er von dir?«
    Yolanta antwortete nicht.
    »O mein Gott«, sagte Andrej. Er fühlte, wie Kälte ihn erfasste.
    »Ich habe dich nur belogen, Andrej«, sagte sie. Ihre Stimme war kaum zu vernehmen. »Ich habe

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