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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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dir kein einziges Mal die Wahrheit gesagt. Ich habe dich benutzt, wie ich nur konnte, dir Schmerzen bereitet und deine Seele verkauft.«
    »Das Buch«, sagte Andrej. Sein Körper fühlte sich auf einmal wie taub an.
    »Er will es haben.«
    Andrej rang nach Fassung. Er verlor den Kampf. »O Vater, ich verfluche dich!«, flüsterte er erstickt.
    »Dein Vater kann nichts dafür. Wenn es stimmt, was ich mir zusammengereimt habe, gibt es dieses Buch schon seit vielen Hundert Jahren. Es war in Vergessenheit geraten und –«
    »Mein Vater hat es wieder daraus hervorgezerrt!«
    »Andrej, das ist nicht irgendein Buch. Es sucht sich die Zeit selbst, in der es wieder zum Vorschein kommen will!«
    »Unsinn. Es ist ein Buch, nichts weiter. Wenn man es ins Feuer wirft, verbrennt es. Wenn man es zerreißt, bleiben nur Fetzen und einzelne Blätter übrig, die in der Ecke einer Kirchenruine verfaulen.«
    Yolanta schüttelte den Kopf. »Nein. Er ist überzeugt, dass es nicht mehr in Podlaschitz ist.«
    »Das war der Grund, warum wir dort hinmussten, nicht wahr? Du hast mich mit der Geschichte deiner Mutter so lange manipuliert, bis ich selbst angefangen habe zu glauben, ich wollte den Ort wiederfinden, an dem meine Eltern umkamen.«
    »Es tut mir leid«, wisperte sie.
    »Aber ich habe es nicht herausgefunden! Wie –« Andrej stockte, »wie Cyprian Khlesl!«
    »Er sucht das Buch auch, aber nicht für sich, sondern im Auftrag des Bischofs, in dessen Wagen er gereist ist.«
    »Gehören er und Pater Xavier zusammen?«
    »Nein. Pater Xavier hat ihn bespitzeln lassen. Cyprian kam hier an und begann, Fragen nach Klöstern in Südböhmen zu stellen – Klöstern, die vor Hunderten von Jahren groß und berühmt waren und die jetzt keiner mehr kennt. Als er aufbrach, befahl Pater Xavier mir, ihm zu folgen und dich mitzunehmen.«
    »Und die defekte Achse?«
    »Der Wagenlenker war bezahlt. Wir hielten uns immer hinter Cyprian, bis es nach der Kreuzung bei Tschaslau nur noch eine Straße gab, die er nehmen konnte. Dann haben wir ihn überholt.«
    »Ich habe von all dem nichts bemerkt.«
    Yolanta senkte den Kopf. »Ich habe mich bemüht, dich von der Außenwelt abzulenken.«
    Andrej versuchte zu lächeln, aber es gelang ihm nicht. Das Stoßen und Schaukeln des Wagens, die gepolsterte Enge darin – es hatte ihm geschienen, dass ihm die nahe liegende Beschäftigung, mit der man die Reisezeit angenehm gestalten konnte, selbst eingefallen war, doch nun stellte sich heraus, dass es anders gewesen war.
    »Ich schäme mich so«, sagte sie.
    »Die drei Brieftauben waren auch nicht für deine Großtante bestimmt.«
    »Nein.«
    Andrej schwieg. Er ahnte dumpf, dass er, wenn er dem Gefühl, das in ihm aufstieg, weiter Raum gab, alle Erinnerungen an die Tage mit Yolanta verlieren würde, dass sie sich in Asche und Gift verwandeln würden. Sie hat im Auftrag Pater Xaviers gehandelt, sagte er sich vor, sie hat sich verhalten wie ein eiskalter, berechnender Agent, aber sie hat es nicht freiwillig getan. Wut brachte seine Gedanken durcheinander, erstickende Wut auf den Dominikaner, aber auch Wut auf Yolanta. Er kämpfte dagegen an.
    »Ich habe keine einzige der wunderbaren Stunden verdient, die du mir geschenkt hast«, sagte sie.
    »Unsinn.« Andrej hörte selbst, wie blechern es klang.
    Ihr Gesicht war grau. »Ich habe dich verloren.«
    »Warum hast du mir nicht vertraut?«
    »Um den Preis von Wenzels Leben? Ich konnte es nicht.«
    »Vielleicht hätte ich helfen können. Ich hätte jemanden am Hof …«
    »Wen? Kaiser Rudolf? Du hast selbst gesagt, du hast dort keine Freunde, und der Kaiser ist wahnsinnig.«
    »Was soll ich jetzt denken, Jarka?« Er merkte, dass er erneut den falschen Namen verwendet hatte, und fühlte perverse Befriedigung dabei. Im nächsten Moment schämte er sich dafür. Sie hatte kein Recht gehabt, so mit ihm zu spielen; doch während er dies dachte, schob sich das Bild aus seinem Gedächtnis vor seine Augen, das Bild aus der Erweiterung der Brandgasse unter dem Abtritt; der ältere Gassenjunge, sein Beinahe-Vergewaltiger, der in der Scheiße gekniet hatte und den Ratsherrn mit dem Mund befriedigen musste. Was konnte man aus der Parallelität der Erfahrungen lernen? Der Junge hatte die Demütigungen, die er erfahren hatte, an die Nächstschwächeren weitergegeben, von denen Andrej einer gewesen war. Yolanta hatte ihm Liebe, Hingabe und Leidenschaft geschenkt und das Gefühl, dass er nicht mehr alleine auf der Welt war. Sicher, es

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