Die Teufelsbibel
seiner Wange flammte auf; ein Ohr wurde zu Brei geschlagen; in seinen Magen grub sich der Rammbock eines Belagerungsheers. Verspätet riss er die Arme hoch und wehrte die nächsten Schläge ab.
»Verschwindet!«, keuchte der Stier. »Mörderbande! Verschwindet! Lasst sie in Ruhe.«
Das Gewicht verschwand. Das Schimpfen ging weiter. Pavel mühte sich, seinen Blick zu fokussieren. Er sah eine zappelnde Gestalt, die in Buhs Armen hing. Buhs Blick war gehetzt. Die Gestalt spuckte Gift und Galle.
»Ich scheiß auf euer Gebet!«, schrie sie. »Was wollt ihr von Katka? Lasst sie in Ruhe!«
»Wir wollen ihr nichts tun, Junge, wir wollen sie nur etwas fragen.« Pavel hatte das Gefühl zu lernen, wie schwer es Buh jeden Tag fiel, Silben aneinanderzureihen.
»Scheiße!«, schrie der Bursche. Er trat um sich und erwischte Buh am Knie. Buh riss die Augen auf und knickte ein. Sein Griff ließ nach, und der Junge wand sich heraus und sprang auf die Straße zu. Pavel angelte verzweifelt nach seinem Fuß und brachte ihn zu Fall. Dann war Buh wieder da und packte den Jungen erneut.
»Katka!«, rief der Junge. »Ham sie dir was getan? Ich dacht, ich geh dir nach, weil du mir die Tür so vor der Nase zugehau’n hast!«
»Sie ist in Ordnung!«, sagte Pavel aufgebracht. »Halt den Mund, sonst hält Buh ihn dir zu.«
»B… b… gnnn… bitte!«
»Lasst den Jungen gehen«, sagte Katka matt.
Die Augen des Jungen verengten sich, aber Pavel hatte es auch schon gehört: Stimmen, die aus dem Weiler heraufdrifteten. Pavels Gedanken begannen sich zu überschlagen.
»HIIIILFEEEE!«, schrie der Junge aus Leibeskräften. Er strampelte wie verrückt in Buhs Griff. Buhs große Hand presste sich auf seinen Mund. Der Junge bewegte sich so wild, dass Buh ins Stolpern kam und auf ein Knie sank. Seine Hand verrutschte. Die Zähne des Jungen gruben sich hinein. Buh ächzte. Er riss den Jungen zu Boden und drückte ihm wieder die Hand auf den Mund. Der Junge wehrte sich weiter, hielt aber endlich still, als Buh sich wirklich auf ihn lehnte. Der riesige Mönch sah verzweifelt aus.
»Sie erwischen euch!«, zischte Katka. »Dann steinigen sie euch.«
Die Stimmen aus dem Weiler kamen heran. Pavel sah sich plötzlich selbst, in seinem früheren Leben, die magere Beute irgendeines Diebstahls in den Händen, irgendwo in die Enge getrieben, während sich draußen die Meute mit Prügeln,Mistgabeln und einem Strick näherte. Angst schoss in ihm hoch. Erstaunt erkannte er, dass es hauptsächlich Angst um Buh war. Er hatte ihn mit hineingezogen; wenn ihm etwas zustieß, würde es ganz allein Pavels Schuld sein.
»Ihr seid widernatürlich!«, spuckte Katka. Man hört den alten Tomáš reden, dachte Pavel zusammenhanglos.
»Gnnn… gnnnn…!«, machte Buh, der den Jungen noch immer zu Boden drückte. Es sah fast wie eine Umarmung aus.
»Hallo?«, kam eine Stimme vom Weg her. Sie war leise, aber sie war nicht mehr weit genug entfernt, als dass sie sich hätten tief in den Wald zurückziehen können.
»Haltet euch still«, hörte Pavel sich sagen. »Ganz still! Ich regle das.«
»Ich brauche nur zu schreien«, sagte Katka.
»Und Buh braucht nur zuzudrücken. Wir wollen niemandem wehtun. Aber wir tun es, wenn wir müssen. Hast du das verstanden?«
Die alte Frau öffnete den Mund, doch dann warf sie einen Blick zu Buh und dem Jungen hinüber. Sie biss die Zähne zusammen.
»Ihr lasst ihn gehen!«, flüsterte sie.
»Wir lassen euch beide gehen«, sagte Pavel. Er bohrte seinen Blick in Katkas Augen. Sie wandte sich ab und senkte den Kopf.
»Buh!«
Der Riese blickte auf. Sein Gesicht war waidwund.
»Halt den Burschen ganz fest. Wir haben eine Chance. Er darf nicht schreien, hörst du? Auf keinen Fall! Kriecht dort hinter den umgefallenen Baum. Schnell!«
Buh nickte. Seine Augen flackerten, und auch er wich Pavels Blick aus. In Pavel krampfte sich etwas zusammen. Buh schleifte den Jungen mit sich hinter den Baumstamm. Katka folgte ihm auf allen vieren.
Pavel trat in die Schneise hinein, die Buhs Vordringengeschaffen hatte. Von draußen vernahm er das Murmeln der Leute, die sich näherten. Er sah sich hastig um. Am Rand der Schneise stand, von Buh nur gestreift, eine verfilzte Mischung aus Hundsrose und Schlehe. Die Rose hatte sich in die Schlehe verkrallt; die Dornen der einen und die Stacheln der anderen starrten nach allen Richtungen wie eine Verteidigungsformation von Landsknechten. Pavel schluckte. Er breitete die Arme aus, öffnete den Mund,
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