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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Behang des Stuhls anfing. Der radgroße Spitzenkragen trennte Kopf und Körper, die Taille war die einer Wespe, das Gesicht hager, die Augen groß und hungrig. Vor dem Stuhl stand ein Fußschemel. Sie deutete mit graziöser Geste darauf, kaum dass Andrej sich aus einer Verbeugung erhoben hatte, die er bewusst weniger tief angelegt hatte, als es ihm angestanden hätte. »Setzen Sie sich.«
    Andrej ignorierte die Einladung. Stattdessen betrachtete er die Bilder, als sei er allein in dem kleinen Kabinett. Er bemerkte aus dem Augenwinkel das erstaunte Gesicht seiner Gastgeberin; doch sie war viel zu sehr Profi, was das Auftreten in den haiverseuchten Untiefen der höfischen Gewässer betraf, als dass sie ihre Überraschung noch mehr verraten hätte.
    »Wir sind uns noch gar nicht vorgestellt worden«, sagte sie. »Sie kommen mir dennoch bekannt vor. Wahrscheinlich sind wir uns schon einmal begegnet, und ich habe es vergessen. Verzeihen Sie dem schwachen Gedächtnis einer Frau, das sich Tag für Tag so viele bedeutende Gesichter merken muss.«
    »Wir sind uns schon mal begegnet«, sagte Andrej. »Zweimal.«
    »Ich hoffe, es war jedes Mal ein angenehmer Anlass.«
    »Ich hatte diesen Eindruck.« Beim ersten Mal hab ich dich zur Tür hereingelassen, und beim zweiten Mal hast du gerade deinen weißen Hintern in die Luft gereckt und gestöhnt: ›O ja, Meister, stecken Sie ihn mir dorthin, wohin ihn die römischen Imperatoren ihren Mätressen gesteckt haben!‹ Leider wurde ich Zeuge dieser Szene, weil ich zu früh zurückkehrte; aber soll ich dir was sagen: du und Meister Scoto habt es nicht mal bemerkt, und ich konnte mich leise wieder rausschleichen.
    »Ich sehe, Sie haben einen Arcimboldo«, sagte er.
    »Jeder hat einen, seit er Seine Majestät den Kaiser als Vertumnus gemalt hat.«
    »Seine Majestät der Kaiser haben das Bild geschenkt bekommen.«
    »Anderswo war Messere Arcimboldo nicht so großzügig.«
    »Kann ich mir vorstellen.«
    »Wenn Sie meinen Gatten sprechen wollen, so finden Sie ihn an dem Ort, an den Sie beide täglich die Pflicht führt – auf dem Hradschin«, sagte Madame Lobkowicz.
    »Nein«, sagte Andrej, »ich wollte Sie sprechen. Ich möchte Sie um Ihre Hilfe bitten.«
    »Ich helfe wo ich kann, mein Guter«, sagte die Frau des Oberstlandrichters mit dem Tonfall in der Stimme, der bedeutete: Selbstverständlich werde ich den Dienstboten, an den ich deine Bitte weiterleite, anweisen, sie sofort wieder zu vergessen.
    »Und ich möchte Ihnen die Verehrung und die besten Wünsche eines gemeinsamen Bekannten übermitteln.«
    »Das ist sehr galant. Ich hätte mir nie vorgestellt, dass Sie und ich einen gemeinsamen Bekannten haben könnten.«
    »Es ist ein sehr guter Bekannter.«
    »Tatsächlich«, sagte Madame Lobkowicz.
    »Um die Wahrheit zu sagen: Ich war einmal sein Diener.«
    »Ah ja? Na gut, das ist natürlich jederzeit möglich. Sie müssen ja von irgendetwas gelebt haben, bevor Seine Majestät beschloss, dass Ihre Geschichten ihn amüsieren.«
    »Es ist nur eine Geschichte, Gnädigste. Seine Majestät will immer nur die gleiche Geschichte hören.«
    »Schade, nicht?«
    »Ja, sehr schade. Dabei hätte ich so viele Geschichten zu erzählen. Von Herzögen und Helden, von Räubern und Rittern, von Amazonen und – Alchimisten.«
    Nicht einmal ein Härchen erzitterte an ihr. »Sehr nett. Eine viel versprechende Zusammenstellung.«
    »Es geht mir um Folgendes«, sagte Andrej. »Eine gute Bekannte von mir – diesmal keine gemeinsame Bekannte, Gnädigste! – hat ein Kind. Jemand, der ihr übelwollte, hat ihr das Kind weggenommen und in ein Findelhaus gegeben.«
    »Mit anderen Worten, das Kind ist ein Bastard«, sagte Madame Lobkowicz einfühlsam.
    »Mit anderen Worten, gewiss. Sehr treffend, Gnädigste.«
    »Ich nehme an, Ihre – ›Bekannte‹ – ist ein Mädchen von der Straße, das sich an Sie gehängt hat?«
    »Gnädigste überschätzen meine Wirkung auf das weibliche Geschlecht.«
    Sie sah ihn lange an und ließ ein Schmucktuch langsam durch ihre Finger gleiten. »Schlüpfrig wie ein Aal«, murmelte sie, ohne den Blick von ihm zu wenden oder sich Mühe zu geben, leise zu sprechen.
    »Glatt wie Seide, würde ich sagen«, erklärte Andrej. Er deutete auf das Tuch. »Wenn wir davon gesprochen haben, selbstverständlich.«
    »Was ist mit dem Kind? Ist es verendet, und jemand soll sich um das Begräbnis kümmern?«
    Andrejs Lächeln kämpfte darum, in seinem Gesicht zu bleiben. »Keine so tragische

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