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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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liess sich lernen, sogar, ein Ungeheuer zu sein. Pater Xaviers hervorstechende Eigenschaft war, sich nicht selbst die Hände schmutzig zu machen. Yolanta Melnika ließ sich durch den Trubel schieben, der in den ersten Marktwochen nach dem Ende der Wintersaison erfahrungsgemäß immer am stärksten war, und beobachtete den Rücken des Gassenjungen, den sie angeheuert hatte. Der Gassenjunge seinerseits beobachtete – hoffentlich – Agnes Wiegant und ihre Magd. Sie hatte mit ihm vereinbart, dass sie ihm den Wert jeglichen Gegenstandes, den er ihr stehlen konnte, doppelt ersetzenwürde, wenn er bei ihrem Plan mitspielte. Sie ahnte, dass der Junge versuchen würde, sie später auf das Dreifache hochzuhandeln, und hatte bereits beschlossen, es geschehen zu lassen. Warum auch nicht – es war Pater Xaviers Geld.
    Sie wartete auf das Zeichen des Gassenjungen, dass er bereit wäre. Er hatte höchst geheimnisvoll getan, doch eigentlich war Yolanta klar, wann der richtige Moment gekommen war: wenn das Opfer stehen blieb und sich auf etwas anderes konzentrierte, und wenn so wenig Leute in der Gasse waren, dass man zwischen ihnen hindurchschlüpfen konnte, andererseits aber auch so viele, dass man in der Menge untertauchte und auf Nimmerwiedersehen verschwand. Heute waren elementare Änderungen in diesem Ablauf vorgesehen, aber Yolanta war sicher, dass der Gassenjunge sich grundsätzlich an das erlernte Schema halten würde.
    Die langsame, schlendernde Verfolgung brachte sie in den Teil der Gassen zwischen den Moldaubrücken. Das Flussufer wimmelte von Flößen, Booten und kleinen, halb getakelten Schaluppen. Hier gab es einige wenige Händler, die sich dem Überseegeschäft verschrieben hatten – wenn auch das Meer weit war, so war doch wenigstens Wasser nahe, und was einem der Fluss an Basiswissen beibrachte, war eine solide Grundlage für das Geschäft über die Ozeane hinweg. Natürlich wurde das Meiste, was für die Schifffahrt benötigt wurde, in oder nahe der Häfen an den Meeresküsten hergestellt; doch es gab Dinge, die man anderswo vielleicht besser beherrschte, und wer das vor allem finanzielle Wagnis einging, eine Flotte auszurüsten, war durchaus bereit, für das eine oder andere tiefer in die Tasche zu greifen oder länger darauf zu warten, nur weil es die Händler in Prag oder Wien oder Budapest oder sonst wo fern der Küste in der allerhöchsten Qualität liefern konnten. Umgekehrt waren diese Händler auch bereit, für die mitgebrachten Güter besser zu bezahlen als diejenigen in den Häfen, die der Neuheiten bereits überdrüssig waren.
    Der Junge blieb stehen; was bedeutete, dass die beiden Frauen, die er beschattete, Halt gemacht hatten. Das Gedränge war weniger dicht als weiter vorn; die Händler hier hatten nichts zu bieten, was eine Köchin oder Dienstmagd oder eine höchstselbst einkaufende Frau des Hauses benötigt hätte, es sei denn, Schiffszwieback hätte auf der Speisenfolge gestanden oder die neueste Mode hätte vorgeschrieben, gepichte und kalfaterte Taue zu tragen. Der eine oder andere Gewürzhändler war dazwischen, aber die Preise waren jetzt, zu Beginn der Saison, vermutlich jenseits von Gut und Böse. Yolanta schob sich näher heran, ratlos, was Agnes und ihre Magd hierhergetrieben hatten.
    Diese Gegend von Prag war ihr völlig fremd. Sie kannte keinen der Händler und konnte das Gerücht, dass hier jeder zweite ein Fremder war und entweder reines Portugiesisch sprach oder solches mit spanischem oder englischem Akzent, nicht bestätigen. Der Junge hielt sich abseits an einer Hauswand, weit genug entfernt von Ladenöffnungen und Klapptischen, um nicht den Argwohn eines Händlers zu erregen. Wenn man nicht wusste, dass er da war, hätte man ihn übersehen. Yolanta sah, wie Agnes vor der dunklen Höhle eines Ladeneingangs stehen blieb und ihre Magd hineinging. Die junge Frau stand unschlüssig da und wie jemand, der sich seiner Sache nicht vollkommen sicher ist, aber auch keine andere Möglichkeit sieht als die, seinem Plan zu folgen.
    Yolanta hatte das Gefühl, dass sie diese Situation nur zu gut kannte. Auf dem Klapptisch neben der Ladenöffnung standen kleine Tonkrüge, bewacht von einem halb dösenden Aufpasser, der in einer Hand einen Wecken und in der anderen eine Wurst hielt und abwechselnd davon abbiss.
    Agnes hob den Deckel von einem der Töpfe, und das scheinbare Phlegma des Aufpassers wich einem halb dienstfertigen, halb aggressiven Interesse. Yolanta kannte das Szenario: in den

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