Die Teufelsbibel
über das Vibrieren der Teufelsbibel durchsetzen, das Pavel nun ständig spürte.
Pavel schlich die ersten Treppenstufen hinauf und winkte Buh, die Eingangstür hinter sich zu schließen. Im erstenAugenblick war es stockfinster, dann hob das Licht von oben die Kanten der Stufen aus dem Dunkel. Buh kam heran und erklomm die erste Stufe; die ganze Treppe knarzte sofort laut wie ein Eselsschrei.
Die beiden Kustoden erstarrten in ihren jeweiligen Posen. Nach einigen schweißtreibenden Augenblicken stand fest, dass niemand nachsehen kommen würde. Trotzdem –
Pavel schluckte und schüttelte den Kopf. Dass Buh in diesem stillen Haus die gesamte Treppe hinaufkam, ohne alle aufzuwecken, war ausgeschlossen. Dies löste auch das Dilemma, was Buh tun würde, wenn Pavel ihre Mission vollendete und die Zielperson tötete. Dass Pavel auch den Knecht und die alte Katka getötet hatte, wusste Buh nicht, und Pavel hatte es weder vorher noch nachher zum Thema gemacht, dass beide selbstverständlich nicht am Leben gelassen werden durften. Mit der Zielperson verhielt es sich anders … und Pavel wusste auf einmal, dass Buh ihn daran hindern würde, wenn er ihn Zeuge werden ließ.
»Bleib hier unten«, hauchte er ihm ins Ohr. »Du musst dafür sorgen, dass die Tür hier offen bleibt, sonst ist uns der Fluchtweg versperrt.«
Buh nickte nach kurzem Nachdenken. Er verlagerte das Gewicht langsam auf den Fuß, der noch auf dem Fußboden stand, was die Treppe mit einem fast dezenten Ächzen belohnte. Dann trat er zurück und drückte sich neben dem Dienstboteneingang an die Wand.
Pavel wandte sich ab und schlich weiter. Oben am Treppenabsatz stand eine Art Laterne mit einer Öllampe darin. Pavel nahm sie, ohne nachzudenken, mit. Er zählte die Schritte bis zu der Tür, hinter der er die Zielperson vermutete, aber er ahnte schon von weitem, welche es sein würde: die mit dem Lichtsaum. Von draußen hatten sie gesehen, wie dunkle, schwere Vorhänge zugezogen wurden, und er hatte gehofft, dass die Bewohnerin des Zimmers sich schlafen legen würde.Offensichtlich hatte er sich getäuscht. Die Vorhänge waren zwar willkommen, weil sie vor zufällig hereinfallenden Blicken von draußen schützten; aber dass noch Licht brannte – Pavel biss die Zähne zusammen. Aus dem Zimmer drang kein Laut.
Langsam streckte er die Hand nach der Klinke aus. Von den zwei vorhandenen Möglichkeiten verbot sich diejenige, die Tür aufzureißen und polternd hineinzustürmen, von selbst. Pavels Lippen öffneten sich, und seine Zunge schob sich heraus, ohne dass Pavel sich dessen bewusst war. Die Klinke war kühl und rau. Er drückte sie so langsam nach unten, dass seine Muskeln zu schmerzen begannen. Die Tür öffnete sich mit dem kleinen Ruck, der immer entsteht, wenn der Riegel aus dem Haken gleitet. Licht schimmerte auf. Pavel schob sich Zoll um Zoll an die Öffnung heran, die entstanden war. Schließlich spähte er hinein.
Ein Tisch, der vermutlich einmal ein Esstisch gewesen war, hier oben aber zum Schreibpult geworden war; eine Frau saß daran und schrieb. Pavel hörte die Feder quietschen und kratzen. Sie blickte auf, und Pavel sah ihr Halbprofil von hinten: eine junge Frau. Er hatte sich nicht geirrt – sie waren am Ziel.
Du kannst noch umkehren, sagte eine Stimme in Pavel. Du musst nicht noch mehr Blut auf deine Seele laden.
Pavel ignorierte sie; er hatte eine Aufgabe zu erledigen. Abt Martin hatte ihm das Vertrauen geschenkt, den Dienst als Kustode anzutreten, er hatte ihn zum Anführer der kleinen Schar werden lassen, und er hatte ihm diese Mission überantwortet. Er würde ihn nicht enttäuschen.
Er erkannte, dass er sich bereits halb ins Zimmer geschoben hatte; die Tür hatte er nicht viel weiter öffnen müssen, klein und mager wie er war. Pavel schob einen Fuß vor den anderen. Es kam darauf an, so schnell bei ihr zu sein, dass sie keine Zeit hatte zu schreien. Sobald er ihr den Mund zuhielt,hatte er gewonnen. Die andere Hand um die Kehle gelegt und zugedrückt, und kein Laut würde mehr hervorkommen; die erste Hand zur Hilfe genommen – Abt Martin hatte gesagt, dass der Tod durch Erdrosseln ein Gnadenbeweis war, den ein nachsichtiger Richter einem verurteilten Ketzer auf dem Scheiterhaufen gewährte. Pavel der Gnadenbringer –
Wie im Traum sah Pavel, wie sich plötzlich eine feine Haarsträhne bewegte und sie an der Wange kitzelte. Der Luftzug von der offenen Tür! Sie hob eine Hand und fuhr sich über die Wange, dann blickte sie auf
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