Die Teufelsbibel
nur, damit man ihn später hängen konnte –
Das Türblatt knallte mit Schwung an seine Schläfe und schleuderte ihn in einen Raum, in dem es keine Realität gab, keine Namen und keine Mission, aber entgegen der landläufigen Meinung Schmerz. Und Schmerz war es, worin Pavels Bewusstsein sich auflöste.
Er kam zu Bewusstsein mit der erleichternden Gewissheit, dass alles nur ein Traum gewesen war. Buhs Felsbrockengesicht schwebte vor ihm und musterte ihn sorgenvoll; eine neue Wachperiode in der immer gleichen Düsternis der Höhlen begann, und Buh hatte ihn dafür geweckt. Dann traten die die Details hervor: die Wärme und Trockenheit des Raums, der Duft nach Haus, der Anblick von getäfelten Wänden, das Gefühl eines Holzbodens unter dem Leib und das eines Hundebisses, bei dem die Zähne noch in der Wunde steckten, in der linken Hand. Pavels Erleichterung verflog. Er lallte etwas, das hätte heißen sollen: »Was ist passiert?«
Buh runzelte die Stirn, und Pavels Blick glitt ab. In einer Ecke des Raums lagen die Schatten auf einer stillen, zusammengekrümmten Gestalt mit langem Haar und einem eleganten Kleid. Pavel hob die Hand, in der der Schmerz pochte. Sie war blutüberströmt, die Wunde sah nun endgültig aus wiestigmatisiert. Seine Ohnmacht konnte keine halbe Minute gedauert haben. Er hatte einen pelzigen Geschmack im Mund und fühlte sich so desorientiert, dass er am liebsten den Kopf wieder auf den Boden gelegt hätte.
Buh versuchte etwas zu formulieren und deutete zur Tür. Er hatte sie geschlossen. Wenn ihr Treiben bis jetzt niemanden im Haus alarmiert hatte, hatten sie damit weitere Augenblicke gewonnen und Sicherheit vor zufälliger Entdeckung; kein Grund jedoch, Zeit zu verlieren.
»Ja«, stöhnte Pavel. »Ja, ich weiß. Keine Sorge.« Er rollte sich mühsam herum, kam halb in die Höhe, und auf Knien und aufgestützt auf die rechte Hand kroch er zu der stillen Gestalt hinüber. Ächzend vor Schmerz rollte er sie herum.
Eine Wange war verschrammt und blutunterlaufen. Ihre Augenlider flatterten, aber sie war ohne Bewusstsein. Pavel ahnte, was geschehen war: sein persönlicher Schutzengel hatte eingegriffen. Er wagte sich nicht vorzustellen, was die Rechnung für diese neuerliche Sünde sein würde, die Buh zu begehen gezwungen gewesen war. Er musste den Lärm aus dem Zimmer gehört haben, war die Treppe nach oben gekommen und hatte die Tür in dem Moment aufgerissen, in dem Pavel ihr seinen Schädel in den Weg geschoben hatte. Dann hatte er erkannt, was geschehen war, und zugeschlagen. Pavel krümmte die Finger, um seine Aufgabe zu vollenden, doch dann nahm er die Hand wieder von ihrem Hals fort. Er brauchte beide Hände, um den Mord zu begehen, und seine linke Hand war unbrauchbar. Und Buh damit zu beauftragen –
Er kroch zu Buh zurück, der aufgestanden war und ihn stumm beobachtete. Als Pavel hilflos den Kopf hob, hievte der Riese ihn auf die Beine. Pavels Gedanken wateten durch Schlamm. Dort lag das Ziel, dessentwegen sie hergekommen waren, besinnungs- und wehrlos – sie würde den Tod nicht einmal spüren. Doch er hatte keine Chance, ihr den Tod zu geben. Seine Knie knickten ein, und Buh musste nachfassen,damit Pavel nicht erneut zu Boden ging. Mit der Erkenntnis des endgültigen Scheiterns gingen keine Gefühle einher – sie war zu groß, um mehr als völlige Taubheit zuzulassen.
»G… g… gnnn!«
»Gehen wir heim«, flüsterte Pavel. »Ja. Gehen wir heim.«
Eine Stimme in ihm sagte: Ich habe einen Mord nicht begangen. Ich danke dir, Herr.
Auch die Stimme rief keine Gefühle mehr in Pavel hervor. Er drückte die Knie durch und blieb schwankend stehen, während Buh die Tür öffnete, hinausspähte und dann mit dem Kopf winkte. Pavel versuchte vergeblich, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Buh fasste ihn unter und nahm ihn hoch wie ein Kind; er drückte die Tür mit dem Fuß weiter auf und schlüpfte hinaus. Pavel merkte, wie sein Geist wieder wegdriftete. Beinahe ohne sein Zutun tastete seine Hand in seine Kutte, auf der Suche nach dem Medaillon, von dem es immer nur sieben Stück gab. Es war weg. Sie hatte es ihm abgerissen. Sein Verlust war nur der äußere Beweis, was er im Inneren fühlte: Er war kein Kustode mehr. Er war nicht mehr wert, ein Kustode zu sein. Er konnte Abt Martin beschreiben, wie die junge Frau aussah und auch, wie man zu ihr gelangte, und Abt Martin konnte zwei andere Kustoden losschicken, die Pavels Aufgabe vermutlich zu Ende bringen würden – aber er,
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