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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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die ein Verurteilter ausstieß, zu ersticken.
    »Ich bin beeindruckt, Ehrwürden«, sagte Pater Xavier. »Die christliche Einstellung von Ehrwürden kennt keine Grenze. Selbst angesichts der Bedrohung des eigenen Untergangs tun Ehrwürden, was Ehrwürden für seine Pflicht als Christ halten.«
    Das schwankende Kreuz kam zum Halten.
    »Was?«, sagte der Generalvikar.
    »Gott der Herr und sein Sohn Jesus Christus sehen auf Ehrwürden herab, wie Ehrwürden versuchen, einer verstockten Sünderin die gerechte Strafe zu ersparen. Auch unser Herr Jesus Christus hat den Sündern verziehen, wenngleich der heilige Petrus, sein Stellvertreter, es richtig fand, Ananias und Saphira niederzuschlagen ihres Verrats an der Gemeinschaft wegen.«
    »Ich maße mir nicht an, die Entschlüsse unseres Herrn zu vollziehen«, stieß Garcia Loayasa hervor. »Ebenso wenig wie ich mich im Widerspruch zum heiligen Petrus befinde.« Pater Xavier konnte das unausgesprochene Fragezeichen hinter dem letzten Wort des Generalvikars hören. Er lächelte.
    Der Generalvikar senkte das Kreuz um einen halben Zoll. Pater Xavier sah, wie sich die Blicke des Mädchens plötzlich auf das Kruzifix fokussierten. »Aber ich kann doch Gnade üben, Pater Xavier!«
    »Selbstverständlich, Ehrwürden. Und mögen Ehrwürden mir erlauben, nochmals meine große Bewunderung auszudrücken angesichts des Mutes, mit dem Ehrwürden die eigene Seele der Gefahr der Verdammnis aussetzen, um diesem irregeleiteten, sündigen Kind des Teufels die Qual des reinigenden Feuers zu ersparen.«
    Das Mädchen hörte auf zu schreien. Ihr Gesicht war nass von Rotz und Tränen. Sie schielte auf das Kreuz. Aus ihrer heiseren Kehle drang ein Stöhnen. Ihr Mund arbeitete.
    »Der Verdammnis?«, echote Loayasa.
    »Nicht zu sprechen von der Unerschrockenheit Ehrwürdens gegenüber allen Pharisäern, die es ablehnen werden, einen Mann auf den Bischofssitz zu heben, der sich unmäßig gnädig gegen eine Häretikerin zeigte und der vielleicht selbst etwas mit der verfluchten Sünde der Ketzerei zu tun hat …«
    »Der Ketzerei«, sagte Generalvikar Loayasa.
    »Doch ich bin sicher, wenn Ehrwürden dereinst vor dem großen Weltenrichter stehen und gewogen werden, dann wird die Tatsache, dass Ehrwürden aus Mitleid gehandelt haben, die Sünde fast aufheben, dass Ehrwürden die Läuterung einer fehlgeleiteten Seele verhindert haben.«
    » Fast aufheben«, wiederholte Generalvikar Loaysa.
    Das Mädchen begann zu flüstern. »Herrvergibmirherrvergibmir«, hörte Pater Xavier. Das Flüstern wurde zu einem Winseln. »Herrvergibmirichbindeinedienerin, Herrvergibmirichwidersage-ichwidersageichWIDERSAGE!«.
    »Nie habe ich jemanden gesehen, der größeren Edelmut hatte als Ehrwürden«, sagte Pater Xavier laut. Er fasste Loayasas freie Hand, zog ihn halb herum und kniete nieder, um die Hand zu küssen. Das Kreuz schwenkte aus und der Generalvikar hätte beinahe den Stab fallen lassen. Der Priester neben dem Scheiterhaufen griff reaktionsschnell zu.
    »Oh nein!«, stöhnte das Mädchen. »Oh nein, o nein, Oh NEIN!«
    »Sie lehnt die Tröstung des Kreuzes noch immer ab, Ehrwürden!«, sagte Pater Xavier.
    »O mein Gott«, stammelte der Generalvikar. »Verdammnis! Ketzerei! Meine unsterbliche Seele! Der Bischofsstuhl! Was hätte ich beinahe getan, Pater Xavier?«
    »Es ist nie zu spät, auf dem Weg des Irrtums umzukehren, Ehrwürden«, sagte Pater Xavier, während er bereits begann, den Generalvikar vom Scheiterhaufen fortzuziehen. Garcia Loayasa stolperte hinter ihm her. Pater Xavier wandte sich um und begegnete dem Blick des Henkers. Er nickte.
    »NEIN!«, schrie das Mädchen. »NICHT! Ich …«
    Der Knebel erstickte jedes weitere Wort. Das Mädchen begann zu zappeln und zu stöhnen. Die Menge raunte.
    »Ehrwürden Loayasa haben einen letzten Versuch gemacht, die Verurteilte umzustimmen!«, schrie Pater Xavier in Richtung der Tribüne. »Sie hat die Gnade ABGELEHNT! Sie hat die Liebe des Herrn VERNEINT! Sie hat das Kruzifix BESPUCKT!«
    »Lasst sie brennen!«, brüllte eine Stimme aus der Menge.
    Der Großinquisitor erhob sich. Er faltete die Hände vor der Brust und nickte Loayasa zu. Pater Xavier machte, dass er den Generalvikar noch weiter beiseitezerrte.
    »Welcher Mut, Ehrwürden«, raunte er unablässig. »Und welche Weisheit, die Vergeblichkeit von Ehrwürdens Gnade einzusehen. Wahrhaft christlich gehandelt, Ehrwürden, wahrhaft christlich gehandelt …«
    Knebel steckten jetzt in den Mündern aller

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