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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Studierraum platzten, öffnete sich die Tür der Geheimbibliothek, und Papst Urban, der Kardinalarchivar und die beiden Gardisten kamen heraus. Das Gesicht des Papstes war schweißnass, verzerrt und grau; sein Gewand über und über voller Schmutzstreifen, sein Haar wirr und seine Mozzetta halb zerrissen. Der Kardinalarchivar führte ihn, blass und mit zitternden Lippen.
    »Eine Fälschung«, stammelte der Papst. »Eine Fälschung. Der Schlüssel fehlt – es ist wertlos –. Der Teufel hat uns alle übertölpelt – die Christenheit ist verloren.«
    »Aber, Heiliger Vater, beruhigen Sie sich«, stotterte der Kardinalarchivar.
    »Brauchen Sie Hilfe, Heiliger Vater?«, fragte Oberst Segesser stramm. Er warf den beiden Hellebardieren einen scharfen Blick zu. Die Männer zuckten mit den Schultern und rollten mit den Augen.
    Der Papst blickte auf und stierte den Obersten an. Plötzlich befreite er sich aus Arnaldo Uccellos Griff, taumelte auf den Schweizergardisten zu und packte ihn am Wams. Unwillkürlich hielt Oberst Segesser die zitternde Gestalt fest; sie schien keinerlei Gewicht zu haben. Er war bestürzt, welche Hitze von dem hageren Körper ausstrahlte. Es war, als ob Papst Urban brennen würde. Der Papst senkte die Stirn auf Segessers Brust.
    »Verstehen Sie nicht? Die drei Seiten fehlen, auf denen der Schlüssel zu finden ist«, murmelte der Papst kaum hörbar.»Der Fälscher hat sie nicht mitkopiert. Sie sind irgendwo da draußen. Und das Original ist ebenfalls da draußen, anstatt sicher verwahrt im Geheimarchiv. Wenn das alles in die unrechten Hände fällt – das ist der Beginn der Herrschaft des Teufels.« Papst Urban sprach immer undeutlicher und verstummte zuletzt.
    »Rufen Sie den camerlengo und den Leibarzt Seiner Heiligkeit«, sagte der Kardinalarchivar. »Ich weiß nicht, wovon der Heilige Vater spricht, aber Gott sei uns allen gnädig.«
    Oberst Segesser drückte den zerbrechlichen Leib des Papstes an sich. Sanft, ganz sanft schob er die rechte Hand unter der Achsel hervor und presste sie auf die Brust des Heiligen Vaters.
    »Gott sei seiner Seele gnädig«, sagte er. »Der Leibarzt wird hier nichts mehr ausrichten können.«
    3
    Pater Xavier Espinosa war irritiert. Er wurde das Gefühl nicht los, dass ihn jemand heimlich beobachtete. Die Neugier Hunderter von Augenpaaren, die auf ihm ruhten, war etwas anderes.
    Er hatte bereits mehrfach die Menge hier auf dem quemadero außerhalb der Stadtmauern Toledos verstohlen gemustert, ohne den Beobachter ausfindig machen zu können. Die Gesichter der Meute hinter der Absperrung waren so formlos wie die der Granden und der Infantin auf dem Podium oder die der Inquisitoren auf ihren Sitzreihen um den Thron des heiligen Dominikus herum. Auf dem Thron hatte Großinquisitor Gaspar Kardinal de Quiroga Platz genommen. Pater Xavier sah Brillengläser funkeln und wusste, dass der junge Hernando Nino de Guevara anwesend war, Pater Xaviers Bruder in dominico und rechte Hand des Großinquisitors. PaterHernando war darauf vorbereitet gewesen, den Vorsitz des Autodafés zu führen, da Kardinal de Quiroga zum Konklave im August geladen war, um den neuen Papst zu wählen. Doch Kardinal de Quiroga hatte mit den Worten abgelehnt, er würde ohnehin nicht gewählt, seine Mitkardinäle wüssten auch ohne ihn, was sie zu tun hätten, und außerdem sei die Ausrottung von Ketzern aus dem allerkatholischsten Spanien wichtiger als die Wahl des Heiligen Vaters in Rom. Nun, der Kardinal hatte zumindest in zwei Dingen recht gehabt: er war nicht in die engere Wahl gekommen, und die Kardinäle hatten es ohne größere Probleme geschafft, den farblosen Giovanni Battista Castagna zum Papst zu wählen.
    Ärger stieg in Pater Xavier hoch, dass er sich derart ablenken ließ. Das Einzige, das ihn nicht in seiner Konzentration störte, war das Wehklagen der Verurteilten, die sich in den eisernen Hüftringen und Gelenkreifen wanden; wenn man oft genug bei einer Ketzerverbrennung Zeuge gewesen war, wusste man, wie man diese besondere Art menschlichen Flehens ausblenden konnte. Nicht einmal die Rufe des jungen Mädchens nach seiner Mutter erreichten ihn auf einer anderen als einer kühlen, professionellen Ebene, die sich damit beschäftigte, wie lange Generalvikar Garcia Loayasa den Rufen noch standhalten konnte.
    »Ich mache dem jetzt ein Ende!«, murmelte Loayasa zwischen den Zähnen.
    »Ein weiser Entschluss«, flüsterte Pater Xavier.
    »Ich habe die Macht, das junge Ding zu begnadigen,

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