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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Verurteilten und erstickten das Angstgeschrei zu einem Wimmern, als die Scheiterhaufen entzündet wurden. Pater Xavier zog den Generalvikar hinter die Palisade, schnappte sich den erstbesten Weinbecher, der auf einem der groben Tische stand, und drückte ihn Garcia Loayasa in die Hand. Die Feuer begannen zu prasseln und das Harz in den Kiefernästen zu knallen. Als der Generalvikar Anstalten machte, sich zu den Scheiterhaufen umzudrehen, nötigte der Pater ihn zu trinken. Loayasa stürzte den ganzen Becher hinunter. Mit einem kaum merklichen Ausatmen trat Pater Xavier einen Schritt zurück und wandte sich ab.
    Es traf ihn wie ein Schock, als er dem vollkommen in Schwarz gekleideten Mann, der plötzlich hinter ihm stand, in die Augen sah und erkannte, dass es diese Augen waren, die ihn die ganze Zeit über beobachtet hatten.
    »Ich bin beeindruckt , Pater«, sagte der Fremde und ahmte Pater Xaviers kühle Sprechweise nach, während er an seiner Seite durch die Nacht eilte. Ihre Schritte hallten in den engen Gassen.
    »Wo bringen Sie mich hin?«, fragte Pater Xavier.
    Sie wandten sich in der Stadt nicht aufwärts zur Kathedrale, sondern hinunter zum Fluss. Der Geruch nach brennendem Fleisch, der in die Gassen wehte und langsam nach oben kroch, blieb hinter ihnen zurück, ebenso die Geräusche, die diejenigen Verurteilten machten, die wie das junge Mädchen nicht im Rauch erstickt waren und jetzt in einer tosenden Flamme hingen. Die Chorgesänge und die Gebete der Priester, die während der Verbrennung die Messe zelebrierten, konnten diese Geräusche niemals übertönen, ebenso wenig wie die mit Nelken gespickten Stoffbeutel oder Äpfel den Gestank der verschmorenden Körper verdecken konnten.
    Niemand hielt sie auf, als sie nahe dem Flussufer durch eine der Spalten in der Mauer schlüpften. Pater Xavier konnte das Wasser riechen; als er die Wasseroberfläche erblickte, fröstelte er angesichts ihrer absoluten Schwärze und der vage schimmernden Nebelfäden, die sich darüber kräuselten. Sie marschierten in einen der großen Kiesbrüche, die vom Stadtrand her steil zum Tejo abfielen. Das Mondlicht, das von den Nebelschwaden reflektiert wurde, gab einen ungewissen Schimmer und zeigte einem, wo man die Füße hinsetzenmusste. Der Überhang des Steinbruchs schirmte die Geräusche der Stadt ab, so wie er alle Geräusche, die hier unten entstanden, gegen die Stadt hin abschirmen würde. Der Steilhang wölbte sich über ihnen wie ein Totenschädel.
    Einer der Schatten weiter vorn stand plötzlich auf. Pater Xavier glaubte eine Klinge unter einem dunklen Mantel blitzen zu sehen. »Don Manuel?«, fragte der Schatten.
    »›Ich würde selbst das Holz herbeitragen, um einen Scheiterhaufen für meinen Sohn zu errichten, wäre er so verdorben wie ein Protestant‹«, sagte der dunkle Mann.
    »Sie können passieren, Don Manuel.«
    Am Ende des Steinbruchs sah Pater Xavier jetzt eine Ansammlung von Hütten. Einen zweiten Wachposten erkannte er, noch während sie sich ihm näherten. Diesmal war keine Parole nötig, doch Pater Xavier wurde angehalten, abgeklopft und untersucht. Der Wachposten ging mit leidenschaftsloser Grobheit vor. Pater Xavier bemühte sich, nicht zu zucken, als die tastende Hand unter seiner Kutte an seinem Bein in die Höhe fuhr und sich mit einem harten, prüfenden Griff um sein Gemächt schloss.
    »Sauber, Don Manuel«, sagte der Wachposten, als er sich aufrichtete.
    »Ich bin immer noch beeindruckt, Pater«, sagte der dunkle Mann. »Ein Mann, dem jeder Protestant in Spanien den Tod wünschen muss, läuft ohne versteckten Dolch herum?«
    »Mein Glaube ist meine Waffe.«
    »Sehen Sie den Eingang zur mittleren Hütte?«, fragte der dunkle Mann.
    Pater Xavier nickte.
    »Dort wartet man auf Sie.«
    »Und was ist mit Ihnen?«
    »Ich genieße weiterhin die gute Nachtluft«, sagte der dunkle Mann.
    Ich bin tot, dachte Pater Xavier. Wer immer dort drin aufmich wartet, sie bringen mich um, und sie wollen so wenige Zeugen wie möglich dabei haben. Wenigstens werden sie mich nicht verbrennen – das Feuer würde man drüben am anderen Ufer sehen. Er versuchte Trost darin zu finden, dass ihm die Todesart, die er am meisten fürchtete, erspart bleiben würde. Äußerlich war ihm nichts anzumerken, als er sich auf den Weg machte.
    »Passen Sie auf den unebenen Boden auf, Pater«, sagte der dunkle Mann. »Fallen Sie nicht hin.«
    Vor der Tür zur Hütte zögerte Pater Xavier einen Herzschlag lang, doch dann drückte er die

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